"Anlaufstelle für Betroffene wäre wünschenswert"

"Anlaufstelle für Betroffene wäre wünschenswert"
Die Zeithistorikerin Barbara Stelzl-Marx ist Vize-Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgen-Forschung.

KURIER: Was ist der Schwerpunkt dieser Konferenz über Besatzungskinder?

Barbara Stelzl-Marx: Es ist das erste Mal, dass ein wissenschaftlicher Vergleich über Besatzungskinder in Deutschland und Österreich gezogen wird.

Die Schicksale der Be­satzungskinder waren ja höchst unterschiedlich.

Bei diesem Thema sieht man die ganze Bandbreite der Beziehungen zwischen Besatzungssoldaten und einheimischen Frauen. Wobei ein großer Unterschied zwischen den westlichen Zonen und der sowjetischen Besatzungszone bestand: Sowjet-Soldaten durften in Österreich nicht heiraten. Sobald eine Beziehung publik wurde, wurden die Soldaten versetzt oder in die Sowjetunion zurückgeschickt.

In der amerikanischen, britischen und französischen Zone war das anders?

Die Franzosen waren am legersten: Bei ihnen gab es kein Fraternisierungsverbot (Fraternisierung: Beziehung zwischen Besatzungssoldaten und einheimischer Bevölkerung) . Bei den Amerikanern und Briten gab es das anfangs schon. Aber das Verbot wurde schon im Sommer 1945 gelockert und im Herbst ganz aufgehoben.

Das Thema Besatzungskinder war lange ein Tabu.

Ich denke, dass Tabuisierungen und Stigmatisierungen zum Teil bis heute bestehen. Viele Betroffene haben bis heute Hemmungen, darüber zu sprechen.

Sollte es eine Anlaufstelle für Betroffene geben?

Eine solche Anlaufstelle für Betroffene in Österreich wäre durchaus wünschenswert. Es gibt keine (staat­liche) Institution, die auch entsprechend finanziert ist. In Frankreich etwa haben die Wehrmachtskinder die doppelte Staatsbürgerschaft bekommen – neben der fran­zösischen auch die deutsche.

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