Anhaltendes Stimmungstief für Marine Le Pen

„Sie kann einem leidtun“, sagt Jean-Marie Le Pen über seine Tochter Marine
Front National wird umbenannt. Franbkreichs Rechtspopulistin will dem Niedergang gegensteuern.

Noch vor elf Monaten brachte sie die EU zum Zittern. Marine Le Pen war die überragende „Powerfrau“ (wie Harald Vilimsky sie einst nannte), zu der FPÖ und Italiens Lega emporblickten. Ihr Sieg bei Frankreichs Präsidentenwahl schien zum Greifen nahe. Umso schwerer wog dann ihre eklatante Niederlage gegenüber Emmanuel Macron, von der sie sich bisher nicht erholt hat.

An diesem Wochenende will sie beim Kongress ihres „Front National“ ( FN), in der nordfranzösischen Stadt Lille einen Neustart schaffen. Am Sonntag wird sie einen – bisher geheim gehaltenen – neuen Parteinamen präsentieren. Begründung: Der Begriff „Front“ wäre auf eine reine Oppositionshaltung zugeschnitten, jetzt müsse der „Wille zum Regieren“ stärker zum Ausdruck kommen.

Es geht freilich auch um einen weiteren symbolträchtigen Schritt der Abnabelung von ihrem 89 jährigen Vater, dem FN-Gründer Jean-Marie Le Pen. Die heute 49 jährige Marine, die 2011 den Parteivorsitz von ihrem Vater erbte, versuchte sich von seinen rechtsradikalen Positionen in brisanten historischen Fragen zu distanzieren. Jean-Marie Le Pen hintertrieb diese Bemühungen mit provokanten Wortmeldungen. Bis sich Marine entschloss, ihren Vater aus der Partei zu werfen.

Dieser Kurs nützte ihr: laut Umfrage betrachteten 2014 erstmals weniger als die Hälfte der Franzosen, nämlich 47 Prozent, den FN als eine „Gefahr für die Demokratie“. Inzwischen hat Marine Le Pen diesen Gewinn aber wieder eingebüßt. Heute sehen 57 Prozent in ihrer Partei wieder eine „Gefahr“.

Bei der Stichwahl gegenüber Macron im Mai 2017 war sie immerhin auf fast 35 Prozent der Stimmen gekommen. Jetzt trauen ihr nur mehr 16 Prozent der Befragten zu, sie könne eine „gute Staatspräsidentin“ abgeben.

„Wie ein Dreijährige“

Seit dem Vorjahr hat der FN über die Hälfte seiner Mitglieder verloren, die Verbliebenen sind vielfach verzagt. Fragt man nach, wird auf das TV-Duell mit Macron im Mai verwiesen: die FN-Chefin wirkte damals erschreckend inkompetent und aggressiv. Dieses Image wird sie nicht mehr los. Eine FN-Aktivistin erinnert sich: „Marine hat sich damals so verhalten wie meine drei jährige Tochter, die auch nur herumraunzt, wenn ihr etwas nicht passt“. Jean-Marie Le Pen ätzte kürzlich: „Marine kann einem nur leidtun“.

Das Versagen von Marine Le Pen im TV-Duell hängt auch mit ihrer Haltung zur EU und zum Euro zusammen. In den Jahren zuvor hatte sie die Ablehnung der EU zum Grundpfeiler ihres Programms gemacht. In zwei Exklusiv-Interviews, die sie dem KURIER 2012 und 2014 gab, befürwortete sie gar die „Zerstörung“ der EU, und brachte damit nebenbei die FPÖ in Erklärungsnotstand. Paradoxerweise wurde das in Frankreich selber, bei Teilen der Bevölkerung, lange Zeit kaum zur Kenntnis genommen worden.

EU-Austritt auf Eis gelegt

Erst in der allerletzten Phase des Wahlkampfs 2017 wurde deutlich, dass die EU-Austrittspläne potentielle Wähler abschreckten. Schließlich verbündete sie sich mit dem Chef einer kleinen nationalkonservativen Partei, der von ihr verlangte, dieses Thema auf Eis zu legen. In der TV-Debatte verhedderte sie sich daraufhin zwischen ihrer grundsätzlichen Ablehnung der EU und den ihr abverlangten Vertuschungsbemühungen. Folglich wusste sie dann keine Antwort mehr auf Macrons schlichte Frage: „Behalten wir jetzt den Euro oder nicht?“

Seither ist sie um keinen Deut weitergekommen. Sie macht zwar mehr denn je die EU für alle möglichen Probleme Frankreichs verantwortlich, den Euro-Austritt klammert sie aber einstweilen aus. Deswegen wurde sie von ihrem wichtigsten Berater, Florian Phillipot, verlassen, der eine neue Anti-EU-Partei gründete.

Dabei ist Marine Le Pen weiterhin überzeugt, dass die entscheidende Trennlinie zwischen den Befürwortern der EU und des „globalen Nomadentums“ auf der einen Seite und den „Verteidigern der Nation“ auf der anderen verläuft – und dass dieser Gegensatz den zwischen links und rechts ersetzt habe. Diese Linie würde sich bezahlt machen, wenn erst einmal der „ultra-liberale EU-Globalist Macron“ gescheitert sei, wie sie hofft.

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