Abhörskandal: Cameron unter Druck

Abhörskandal: Cameron unter Druck
Nach dem Skandal um "News of the World" wird das Boulevardblatt eingestellt. Der Ex-Sprecher von Premier Cameron wird festgenommen.

Täglich neue, erschreckende Enthüllungen, die Opposition im Frontalangriff und der Koalitionspartner zunehmend auf Distanz: In Downing Street Nr. 10 reißen die schlechten Nachrichten nicht ab. Premier David Cameron gerät im Skandal um die Boulevardzeitung News of the World immer stärker unter Zugzwang.
Nach einem Zeitungsbericht soll zudem die Festnahme eines früheren Mitarbeiters von Premierminister David Cameron bevorstehen. Die Polizei habe Camerons früheren Pressesprecher Andy Coulson darüber in Kenntnis gesetzt, dass er am Freitag festgenommen werden solle, berichtete die Zeitung The Guardian am Donnerstagabend.

Er stehe im Verdacht, in seiner Zeit als Herausgeber der News of the World davon gewusst zu haben, dass Journalisten und Privatdetektive im Auftrag des Blatts die Telefone von Prominenten anzapften. Dem Bericht zufolge soll Coulson sich zu einer Vernehmung auf einer Polizeistation melden und anschließend gegen Kaution auf freien Fuß kommen.

Zeitung wird eingestellt

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Der Mediengigant Rupert Murdoch hat beschlossen, das Skandalblatt an diesem Wochenende einzustellen. Doch er hat weiter große Pläne: Murdoch will Sky, Großbritanniens größten Privat-TV-Sender, zur Gänze übernehmen. Die Entscheidung über den Kauf, der seine Übermacht in der britischen Medienlandschaft noch erdrückender machen wird, steht an - und der Widerstand wird immer heftiger.

Die Labour-Opposition, der liberale Koalitionspartner, aber auch maßgebliche Vertreter von Camerons konservativer Partei fordern, den Verkauf zu stoppen. Der Skandal um News of the World habe deutlich gemacht, welche journalistischen Praktiken in Murdochs Konzern herrschen würden.

Enthüllungen

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Die jüngsten Enthüllungen zeigen tatsächlich, wie skrupellos das Blatt illegale Abhörmethoden anwandte, um an private Informationen seiner Opfer heranzukommen. Dabei ging es nicht nur um Prominente, wie Hugh Grant oder Sienna Miller, sondern auch um ein entführtes und ermordetes Mädchen, oder um die Angehörigen von im Irak gefallenen britischen Soldaten. Insgesamt sollen bis zu 4000 Menschen abgehört worden sein.

Doch das Blatt beschränkte sich nicht nur aufs Handy-Anzapfen, um an Informationen zu gelangen. Man wandte sich einfach direkt an Mitarbeiter der Polizei - mit riesigen Summen an Schmiergeld. Mehr als 100.000 Pfund, so berichtet der Evening Standard, seien geflossen. Erste Verhaftungen von Reportern, aber auch Beamten der Polizei stünden unmittelbar bevor.

Zögerlich hat Cameron sich dem Druck gebeugt und in einem ersten Schritt die Einrichtung einer Kommission angeordnet, die den Fall untersuchen soll. Doch damit, mutmaßt auch der liberale Vizepremier Nick Clegg, werde nur sinnlos Zeit vergeudet. Clegg will die Kommission einem Richter und damit der Justiz unterstellen, um so sofort strafrechtliche Konsequenzen aus dem Skandal ziehen zu können. Vor allem aber müsse der Sky-Verkauf sofort gestoppt werden: "Was soll eine Untersuchung, wenn Murdoch trotzdem den großen Preis - Sky - abräumt?"

Falsche Freunde

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Doch der Premier steht nicht nur wegen seiner Zögerlichkeit unter Druck, auch seine persönlichen Beziehungen zum Murdoch-Konzern belasten ihn. Neben der Verbindung mit Andy Coulson gibt noch Rebekah Brooks Anlass zur Kritik: Sie war einst Chefredakteurin des Blattes und ist heute Managerin im Murdoch-Konzern. Brooks ist aber auch eine Freundin des Ehepaars Cameron.

Murdochs Macht

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Doch es sind nicht nur die persönlichen Beziehungen, die den Premier so zögerlich handeln lassen, es ist schlicht auch Rupert Murdochs gigantische mediale und damit politische Macht.

Camerons Regierung ist nicht die erste in Großbritannien, deren Wohl und Wehe von Murdoch und seinen Blättern abhängt. Auch Labour-Premier Tony Blair verdankte seine drei Wahlsiege zum Gutteil der soliden Unterstützung durch die Murdoch-Presse, die er sich durch beste persönliche Kontakte zu dem Medienmogul gesichert hatte.

Eingezwängt zwischen Murdochs Macht und wachsendem politischen Druck bleibt dem Premier nur wenig Handlungsspielraum. "Er weiß genau, wie schädlich diese Angelegenheit für ihn und die Regierung ist", verriet ein Insider dem Independent: "In Downing Street geht die Angst um."

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