Rummel um syrische Flüchtlingsschwimmerin Mardini

Rummel um syrische Flüchtlingsschwimmerin Mardini
So viele Reporter drängen sich sonst nur um Schwimm-Superstar Michael Phelps. Flüchtlings-Teenie Yusra Mardini steht bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro im Mittelpunkt. Die 18-Jährige erzählt ihre Geschichte - auf einem Podest stehend mit einem Mikrofon, damit auch die Reporter in der hintersten Reihe sie verstehen können.

Beim Olympia-Auftakt am Samstag war selbst Weltmeister Adam Peaty nach seinem Weltrekord weniger gefragt als Mardini. "Meine Botschaft ist einfach: niemals aufgeben", sagte die Schwimmerin am Samstag in Rio de Janeiro. Worte wie diese kommen Spitzensportlern gerne über die Lippen. Für Mardini haben sie eine tiefere Bedeutung.

Das Flüchtlingsmädchen aus Syrien hatte mit ihrer Geschichte für Aufsehen gesorgt: Gemeinsam mit ihrer Schwester hatte Mardini in der Ägäis ein kenterndes Flüchtlingsboot schwimmend nach dreieinhalb Stunden sicher an Land gebracht. "Ich habe daran keine schlechte Erinnerung. Im Gegenteil. Ohne das Schwimmen wäre ich vielleicht nicht mehr am Leben", sagte Mardini.

Sie gehört nun zum zehnköpfigem Flüchtlingsteam, das bei der Eröffnungsfeier unter der Flagge mit den fünf olympischen Ringen einmarschiert und neben Gastgeber Brasilien mit dem meisten Jubel bedacht worden ist. Im Gegensatz zu den meisten anderen Schwimmern, die 14 Stunden später ihre Vorläufe bestreiten mussten, war Mardini am Abend zuvor im Maracana dabei.

Der sportlichen Leistung ist stundenlanges Stehen kurz vor einem Wettkampf zwar nicht zuträglich, doch um Sport allein geht es bei Mardinis Auftritt nicht. Ihr werden die großen Fragen gestellt, auf die selbst Regierungschefs in Zeiten der andauernden Flüchtlingskrise keine rechte Antwort gefunden haben. Mardini weiß um das Interesse nach monatelangem Medien-Marathon. Und sie liefert die Antworten.

"Ich möchte allen sagen, dass Flüchtling kein Schimpfwort ist. Wir sind Menschen, wir können viele gute Dinge tun, um zu zeigen, wer wir sind", erklärte Mardini in bestem US-Englisch. Kluge Gedanken einer jungen Frau, die zu früh erwachsen werden musste? Oder zurechtgelegte Sätze, nach denen die Medienwelt in diesen Zeiten verlangt?

Völlig egal dürften diese Fragen sowie alle Aspekte dem staatlichen ungarischen Fernsehen sein. Dieser nämlich behandelt das zehnköpfige Flüchtlingsteam wie Luft. Als Mardini ihren Vorlauf über 100 Meter Delfin gewann, berichtete "MTV" zwar live. Der Reporter nannte aber ihren Namen nicht. Nicht einmal, als sie als Siegerin anschlug. Auch ihren besonderen Status verschwieg er. Wohl kein Zufall, denn unter dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban verfolgt Ungarn eine Politik der Abschottung gegenüber Flüchtlingen.

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