Der öffentliche Ruf nach einem mit 20 bis 30 Milliarden Euro dotierten Schutzschirm für alle heimischen Energieversorger, auch von Wiens SPÖ-Finanzstadtrat Peter Hanke, alarmierte die Anleger. Da müsse wesentlich mehr dahinterstecken als nur die Probleme bei Wien Energie, wurde auf dem Kapitalmarkt spekuliert.
Einen Tag später deutete SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner im ORF-Sommergespräch Liquiditätsprobleme an. Der Verbund dementierte umgehend und appellierte, „unternehmensschädigende Äußerungen zu unterlassen“.Im Mai hatte ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer die Verbund-Aktie um knapp 13 Prozent hinunter geprügelt. Mit seiner Aussage, die Bundesregierung denke darüber nach, wie Gewinne von Firmen mit Staatsbeteiligung abgeschöpft werden können, die überproportional von der Krise profitieren.
„Eine gefährliche Situation, wenn Leute, die keine Ahnung vom Kapitalmarkt haben, ein börsenotiertes Unternehmen im Staatsbesitz schlechtreden“, meint dazu Klaus Umek, CEO von Petrus Advisers. Werde eine AG zum Politikum, „ist das doppelt toxisch. Jeder Investor muss sich Sorgen machen, da Ankündigungen ja sofort umsetzbar sind“.
Es wäre auch nicht hilfreich, redete die Politik über Bawag oder Wienerberger, „aber der Verbund gehört eben zu 51 Prozent dem Staat, da ist planloses Raunzen noch wesentlich schädlicher“.
Das Verbund-Management befinde sich ohnehin schon die längste Zeit im Zwiespalt. „Zuerst mussten sie sich kritisieren lassen, zu teuer in Erneuerbare Energien investiert zu haben. Und dann kommt die Politik und sagt, uh, die machen jetzt so hohe Gewinne.“ Es sei enorm schädlich, „über Gewinne eines Unternehmens zu schimpfen“. Umek hält den Verbund für einen Energieversorger der Zukunft beim schnellen Ausstieg aus Öl- und Gas.
Auch Kapitalmarktexperte Wolfgang Matejka hat keine Freude mit politischen Ansagen. „Jede externe Meinung über börsenotierte Unternehmen löst am Kapitalmarkt eine Reaktion aus, nämlich Interpretationen, inwieweit solche Gesprächsinhalte Chancen auf Realisierung haben“, sagt der Geschäftsführer von Matejka und Partner Asset Management. Die Politik sei leider nicht kapitalmarkterfahren. Matejka ortet aber auch andere Faktoren für den Kursabsturz, wie etwa die schwache Wasserführung der Flüsse.
Weniger schädlich als eine Besteuerung der Übergewinne seien Sonderdividenden, erklärt Matejka. Die 400 Millionen Sonder-Ausschüttung des Verbund sei „sozialökonomisch“ freilich zu wenig.
Wertverlust
Der rechnerische Wertverlust der Aktie ist enorm, bis zum Dienstag rund 8,3 Milliarden Euro. Die Wiener Stadtwerke halten gemeinsam mit ihrer Tochter Wien Energie 13,4 Prozent am Verbund und sind der zweitgrößte Aktionär. Eines der wichtigsten Assets im Portfolio der Stadt Wien ist somit innerhalb von neun Tagen um rund 1,1 Milliarden Euro weniger wert geworden.
andrea.hodoschek@kurier.at
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