Die Meister der Schauspiele
Napoleon, ein Meister der Inszenierung, ließ sein Monogramm „N“ in Frankreich an zahlreichen Bauwerken anbringen, steckte bei Gemälden gerne die Hand in die Weste seines Anzugs, trug seinen berühmten zweispitzigen Hut waagrecht statt – wie vorgesehen – senkrecht und war bei seinen Schlachten in seinem grauen Mantel zu sehen, wo jeder Soldat aus weiter Entfernung seinen Kaiser erkennen konnte.
Napoleon, als Revolutionär, musste diese Register ziehen, da seine Herrschaft von der Gunst der Bevölkerung abhing und nicht von seiner Abstammung. Wenn er in den Augen der Franzosen seiner Aufgabe nicht gerecht wurde, so hätte er unter der Guillotine enden können wie sein königlicher Vorgänger. Um sich als den Besten für die Aufgabe zu reklamieren, baute er um seine Person einen Kult auf. In Österreich ist das nicht anders gewesen.
Jörg Haider hatte beispielsweise mehrere Trachten im Kofferraum seines Autos. Er zog für jeden Anlass das Passende an und konnte sich mehrmals am Tag dafür umziehen. Wieso? Weil es Eindruck hinterließ. Und mehrere Eindrücke formieren ein Bild über jemanden.
Es ist kein Zufall, dass Haider bei den TV-Duellen immer eine Füllfeder zur Hand hatte, während seine Kontrahenten zum Kugelschreiber griffen. Eine Füllfeder suggeriert Intellekt, Eleganz und Weltgewandtheit. Es mag sich hierbei zweifellos um Details handeln, um Feinheiten, aber ein Detail führt zum nächsten und bildet ein Gesamtbild einer Person und wirkt sich erheblich auf ihr Erscheinungsbild aus.
Die politischen Wandertage
In der Alpenrepublik geht die Spitzenpolitik in Wahlkampfzeiten seit jeher wandern. Schüssel und Gusenbauer, die man für arrogant oder belehrend hielt, blieben nicht davon verschont, sich ebenfalls Wanderschuhe anzuziehen und österreichische Höhen zu erklimmen.
Man erinnere sich an Gusenbauers weiße, enge Leggings, mit der er wandern ging. Zwar kritisierte ihn die Medienlandschaft für diese Stillosigkeit – Gusenbauer gewann die Wahl trotzdem. Es hat ihm mit Sicherheit nicht geschadet. Ein Bürger gewann dadurch den Eindruck, dass ein potenzieller Bundeskanzler nicht viel anders wandern geht als er selbst. Sebastian Kurz zieht sich zwar keine enge Leggings an, aber das Wandern gehört auch zu seinem Wahlkampf.
Der Unterschied zu damals ist, dass er geschickterweise ÖVP-Funktionäre und Normalbürger zu seinen Wanderungen einlädt. Wo Inszenierung von „oben“ gemacht worden ist, versucht man, sie heute auch von „unten“ zu bilden.
Amerikanisierung der Politik
Seitdem man in Österreich nur noch mit guten Spitzenkandidaten Wahlen gewinnt, vollzog der politische Betrieb in Österreich eine Amerikanisierung, wo der dortige Spitzenkandidat schon immer den Ausschlag bei der Wahl gab.
Sebastian Kurz hat sich viel von dort abgeschaut. Seine Anhänger, die Plaketten mit dem Abdruck seines Namens in die Höhe halten, der pompöse Auftritt in der Stadthalle, exklusive Bilder seines eigenen Haus- und Hoffotografen für Medienvertreter, gehören zum klassischen amerikanischen Wahlkampf-Repertoire. Es wirft sich hierbei die berechtigte Frage auf, was für einen Output solche Inszenierungen in Wirklichkeit für ihre Benutzer bieten.
Immerhin gibt es die Medienlandschaft, die sich diese Inszenierungen kritisch ansieht. Nun, seitdem Spitzenkandidaten entscheidend für einen Wahlsieg sind und Medien im Laufe der Geschichte immer wichtiger wurden, sind Sieg und Inszenierung untrennbar miteinander verbunden. Denn selbst Medien und Politik waren noch nie so stark wie heute miteinander verbunden. Im 19. Jahrhundert hatten die jeweiligen Herrscher ihre Medien unter Kontrolle und ließen das Bild über sich vermitteln, das sie selbst vorgaben.
Daran konnte sie auch niemand hindern. Das ist heute anders. Die Gegenwart verlangt mehr Fingerspitzengefühl und Charme den Medienvertretern gegenüber. Denn politische Realität ist Medienrealität. Ohne die Gesetze der Medien zu kennen, lässt sich kaum mehr Politik machen. Diese Mediendemokratie verändert nicht nur die Demokratie an sich, sondern auch die politischen Akteure.
Der ständige Zwang zur Inszenierung zwingt die Politik, auf der Hut zu sein, seine Message anzubringen und keinen Fehler zu machen, während die Medien in dieser Inszenierung den Fehler suchen, um die nächste Schlagzeile vorzubereiten. Beide Herangehensweisen gehen jedenfalls mit einem Substanzverlust einher. In beiden Fällen gerät der Inhalt in den Hintergrund.
Und da kein Apparat gewählt wird, sondern ein Spitzenkandidat, muss dieser eine Rolle spielen, um zu gewinnen. Wer in eine politisch nötige Richtung nicht schauspielern kann, wird nicht gewählt. Zugleich ist eine erfolgreiche Inszenierung oftmals mit einer charismatischen Person verbunden. Man denke an Barack Obama, bei dem man den Eindruck gewann, er sei der Herr der Lage, könne Dinge bewältigen, die andere nicht können.
Thomas Meyer, Hochschullehrer am Institut für Politikwissenschaft in Dortmund, hat zu diesem Thema das Buch „Die Inszenierung des Politischen“ verfasst. Darin unterstreicht er den Versuch der Politik, aus Illusionen Wahrhaftigkeiten zu erzeugen. Mittels der Medien wird dieser Versuch transportiert.
So ist nach Meyer die Politik existenziell von Kommunikationserfolgen abhängig. Die österreichische Parteidemokratie, die im Zweifel mächtiger als die Spitze war, mutierte zur spitzengesteuerten Mediendemokratie. Die Spitzenkandidaten unterwerfen sich zwar den Spielregeln der Medien, aber lediglich zum Zwecke, Macht über die Öffentlichkeit zu gewinnen. Es hat sich seit dem 19. Jahrhundert dann doch nicht so viel verändert.
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