Ganz privat: Wie Marie Bäumer ihre Erfüllung gefunden hat
Die deutsche Schauspielerin Marie Bäumer steht seltener vor der Kamera, hat dafür mit 50 Jahren ihre Erfüllung gefunden. "Jede Lebensphase bringt ihre Schönheiten hervor. Ich fühle mich gerade sehr frei." Der freizeit verrät die preisgekrönte Darstellerin, wieso Hengst Bacara zu ihrem größten Lehrmeister wurde.
freizeit: Wo wachen Sie am liebsten auf?
Marie Bäumer: In dem Haus, das ich vor 12 Jahren in dem Ort L’Isle-sur-la-Sorgue vor 12 Jahren bezogen habe. Im Sommer schlafe ich viele Nächte draußen im Garten. Es ist, als ob man den Himmel berührt. In der Provence bin ich umgeben von der Natur, meinen Tieren sowie den guten Geistern meines kleinen Dorfes.
Dabei waren Sie doch ein Stadtkind ...
Ich habe meine Kindheit am grünen Rand von Hamburg verbracht. Erst als Teenager bin ich in die City gezogen und habe das auch ausgekostet. Doch die Verbindung zur Natur riss nie ab, und sie ist heute für mich eine existenzielle Kraftquelle.
Wie zeigt sich das?
Ich brauche mindestens einmal am Tag dieses Gefühl, mich der Länge nach mit meinem Bauch in Mutter Erde zu wälzen. Ich bin so ein Springinsfeld und liebe meine Freiheit über alles. Als Kind habe ich den Zugvögeln hinterher geschaut und meiner Mutter gesagt: Am liebsten möchte mitfliegen.
Sie haben etliche Preise für das berührende Drama „3 Tage in Quiberon“ erhalten, auch eine Romy 2019. Sie verkörpern darin Romy Schneider, die mit ihrem Lebensstil zur Französin wurde. Empfinden Sie ähnlich?
Ich kann sowohl im deutschsprachigen Raum als auch in Frankreich arbeiten. Ich schöpfe aus beidem. Doch ich würde schon sagen, dass Frankreich zu meiner Herzensheimat geworden ist.
Warum haben Sie Frankreich als Wohnort gewählt?
Mit 17 bin ich alleine durch die Bretagne gereist. Ich hatte dabei wundervolle Begegnungen und mir damals fest vorgenommen, irgendwann nach Frankreich zu gehen. Genau so ist es gekommen.
Was ist anders?
Frauen werden mehr verehrt und geliebt. Ich bekomme im Alltag viele Komplimente. Das hat bekanntlich noch keiner Frau geschadet. Und Männern übrigens auch nicht. Mein Kleidungsstil hat sich auch verändert. Er ist heller geworden, und ich trage hier häufiger Kleider. Außerdem bin ich Sternzeichen Stier – ein Genussmensch. Da kann ich in Frankreich aus dem Vollen schöpfen.
Wie empfindet das Ihr Sohn Shawn?
Er ist inzwischen ausgezogen, lebt im Moment in Hamburg und wird für sein Regie-Studium demnächst ins Ausland gehen. Er ist dreisprachig aufgewachsen, hat aber längst nicht so eine Affinität zum Französischen wie ich entwickelt. Ich habe ihn einmal zu längeren Dreharbeiten nach Newcastle mitgenommen. Da hat er so eine Schule im Harry-Potter-Baustil besucht. Das Englische zieht ihn eindeutig stärker an.
Konnten Sie gut loslassen?
Ja. Und unser Verhältnis ist sehr eng und offen geblieben. Wir sehen uns seltener, verbringen aber dann intensive Zeit miteinander.
Das Mehr an Zeit für sich – wie füllen Sie die?
Ich verbringe viel Zeit mit meinem Hengst Bacara. Er ist zu meinem größten Lehrmeister geworden.
Marie Bäumer hoch zu Ross – das Bild kennt man. Vor drei Jahren sind sie für die ARD-Dokureihe „Zwei im Wilden Westen“ durch die USA geritten.
Die Verbindung habe ich immer gesucht, seitdem ich mit drei Jahren erstmals auf einem Pony gesessen habe. Dann habe ich den Wunsch aus beruflichen Gründen lange unterdrückt. In Frankreich hatte ich zwischendurch sogar ein Pferd. Doch ich habe es wieder aufgegeben, weil Shawn nicht so begeistert war.
Was ist jetzt anders?
Nach der Amerika-Tour stand für mich der Entschluss fest, meinen Alltag mit einem Pferd zu leben. Das ist ein elementarer Unterschied. Bevor ich Bacara in einer Lusitano-Zucht kaufte, durfte ich mich ihm ein Jahr langsam annähern. Wir domestizieren Pferde, nutzen sie aus als Sportmaschine, Geldmaschine, Geburtsmaschine. Dabei können wir so viel vom Tier lernen. Ein Pferd besitzt diese Urkraft und zugleich ein hohes Maß an Sensibilität und Empathie.
Wie müssen wir uns das vorstellen – mit einem Pferd den Alltag teilen?
Ich gehe zum Beispiel mit Bacara am losen Strick ins Dorf zum Einkaufen oder Kaffeetrinken. Da freuen sich die Bewohner, begrüßen ihn, geben ihm Möhren zu fressen. Ein Pferd ist wesentlich entspannter, wenn man neben ihm steht oder es zu Fuß begleitet. Und es nimmt dann auch leichter von seinem Partner etwas auf. Man begegnet sich spielerisch, was die meisten Menschen vergessen haben. Dabei gehört das Spielen zu den Grundbedürfnissen eines Pferdes.
Sie haben gerade Ihr erstes Buch veröffentlicht: „Escapade – Der Aufbruch in die Freiheit“. Es ist keine klassische Autobiografie. Was war ihre Intention?
Im Pferdesport bedeutet „Escapade“ die Verweigerung eines Hindernisses. Für mich schwingt bei dem Wort so vieles mit: ein neuer, spielerischer Aufbruch, aber auch der Sprung aus einer vorgefertigten Form. Ich möchte den Menschen mitteilen, woraus ich in meinem Leben schöpfe. Und ihnen Anregungen geben, näher zu ihrem Kern vorzustoßen, die Schrauben und Filter zu lockern, die uns immer wieder daran hindern. Jeder hat Träume. Wir sollten sie uns erlauben und nicht immer so eng denken.
Unter dem Titel „Escapade“ bieten sie inzwischen auch Workshops an, zugleich hat man sie zuletzt weniger im Kino oder TV gesehen. Verlagert sich gerade auch ihr berufliches Leben?
Es gab bei mir nie so etwas wie eine Karriereplanung. Ich wusste schon meistens, was ich wollte, und dann hat sich immer alles sehr spielerisch ergeben. Wie auch jetzt. In diesen Seminaren baue ich letztlich auf den Methoden auf, die ich schon seit Langem in meiner Arbeit als Schauspieltrainerin anwende. Es geht darum, den Körper, unser wichtigstes Instrumentarium, besser kennenzulernen und es für die Persönlichkeitsentwicklung zu nutzen.
Und Sie integrieren Pferde in diese Arbeit?
In meinen Ateliers in Montpellier, München und Hamburg biete ich Kurse mit und ohne Pferde an. Ich sehe mich aber nicht als Coach oder Therapeutin, eher als Mediatorin. Und da bin ich selbst immer wieder die beste Probandin.
Was heißt das genau?
Der Kontakt mit meinem Hengst Bacara hilft mir, meine Wesensnatur zu erfahren. Und ich bereichere mich auch in meinem Verständnis als unermüdliche Menschenforscherin, indem ich mich auf diese Masse Tier von 500 Kilo einlasse. Wenn diese große Energie langsam in eine sanfte, ruhige Verbindung übergeht, ist das ein beglückendes Gefühl. Und das sehe ich nun auch bei Seminarteilnehmern: Wie gerade Personen, die mit ihren Hemmungen gegenüber anderen Menschen kämpfen, allein im Gleichschritt mit dem Pferd diese verlieren. Für mich ist diese Arbeit sehr erfüllend, kein Zweitjob.
Und wie wird es mit Ihnen als Schauspielerin weitergehen?
Meine Leidenschaft fürs Kino ist keineswegs verflogen. Dass man sich auf Traumreisen begeben kann oder nach einem aufwühlenden Kinobesuch am liebsten sofort die eigene Existenz gegen die der Hauptfigur eintauschen möchte, ist etwas Einzigartiges. Gleichzeitig habe ich mir nie Illusionen darüber gemacht, wie sehr es sich bei dem oft nervigen Film-Drumherum am Ende um einen mächtigen Wirtschaftsapparat handelt.
Was ist Ihre Konsequenz daraus?
Die Arbeit in den Ateliers und das Schreiben hatten für mich zuletzt Vorrang, weil sie mich wieder Stück näher zu mir gebracht haben, an diese freiheitsliebende Pippi-Langstrumpf-Mentalität meiner Kindertage. In Zukunft möchte ich beides gut verzahnen, und nicht zuletzt durch die internationale Anerkennung des Filmes „3 Tage in Quiberon“ eröffnen sich gerade spannende Perspektiven.
Wie würden Sie Ihr Lebensgefühl mit 50 beschreiben?
Jede Lebensphase bringt ihre Schönheiten hervor. Ich fühle mich gerade sehr frei, glücklicherweise ohne jegliche physische Einschränkungen. Ich habe sicher Zwei Drittel meines bisherigen Haushalts entsorgt. Das befreit zusätzlich, und ich fühle mich absolut mit mir im Reinen.
Haben Sie Vorbilder?
Meine Eltern, von denen ich mich zuletzt im Frieden verabschiedet habe. Sie haben mich geprägt und mir die Freiheit ermöglicht, wofür ich Ihnen unendlich dankbar bin. An meiner Mutter habe ich auch immer bewundert, dass sie mit natürlicher Pflege und wunderbarer Haut durchs Leben gekommen ist. Mein Vater mochte meine Haare. Er sprach stets von der wilden Mähne. Auch deshalb trage ich sie heute im Grunde wohl noch immer so. Lang und unkompliziert. Und ich liebe es, dass bei meinen Exkursionen in die Natur dann immer etwas an mir mitschwingt.
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