Was es wirklich bedeutet, bei der Freiwilligen Feuerwehr zu sein
Treffpunkt Freiwillige Feuerwehr, 16 Uhr, hieß es. Und jetzt bin ich da, aber sonst niemand. Nur beim Telefon hält einer Wache. „Kommandant Urschler ist auf einem Einsatz“, teilt er mir mit. „Er wird aber bald kommen.“ Und so ist es: Nur kurz drauf steht Gerhard Urschler vor mir. „Ein Reh hat die falsche Abzweigung genommen und ist in die Stadt gelaufen“, erklärt er mir und lacht. „Die Feuerwehr wird halt immer gerufen, wenn man nicht weiß, wer sonst helfen könnte.“
Feuer ist nicht gleich Feuer
Bei Bränden ist viel Fachwissen nötig, um diese rasch löschen zu können
Wenn es stinkt und in den Augen brennt
Auch das Beseitigen ausgetretener Gefahrenstoffe gehört zum Job der Feuerwehr.
Sich aufeinander verlassen können
Bei einem Brand ist es nötig, dass jeder Handgriff sitzt.
Sich in Gefahr begeben
Großbrände mit starker Rauchentwicklung sind für jeden im Team eine Herausforderung.
Ein wahrer Kraftakt
Auch für das Bergen von verunglückten Fahrzeugen wird die Feuerwehr hinzugerufen.
Hilfe für Fahrzeuglenker
Ist bei einem Unfall der verunglückte Fahrer eingeklemmt, birgt ihn die Feuerwehr.
Hochwasser in Krems
Das Auspumpen von Kellern ist da noch die leichteste Aufgabe der Feuerwehr.
Retten von Tieren
Ja, auch wenn sich ein Hund aufs Dach verirrt hat, kommt die Feuerwehr und birgt das Tier.
Vor drei Jahren wurde Gerhard Urschler zum Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr Krems gewählt. Er ist allerdings nicht erst seit diesem Zeitpunkt täglich auf der Wache. Auch die anderen aus dem Team kommen jeden Tag nach der Arbeit vorbei. „Schlafen tun wir aber schon zu Hause im eigenen Bett“, erzählt Gerhard Urschler. „Bei einem nächtlichen Einsatz rutschen wir keine Stangen hinunter und springen ins Feuerwehrauto – wir werden durch Pager oder Handy geweckt und kommen dann so schnell wie möglich auf die Wache.“
Und doch: Für Außenstehende ist es kaum nachvollziehbar, was die Freiwillige Feuerwehr leistet – und was sie antreibt. Denn nicht immer ist es nur ein Reh, das in den Wald zurückgetrieben werden muss, sondern schreckliche Verkehrsunfälle, Großbrände oder Wasserleichen warten auf das Team. Für Einsätze dieser Art sind viel Wissen und eine fundierte Ausbildung nötig; zudem müssen sich die Feuerwehrleute laufend weiterbilden. Und das alles ehrenamtlich, unbezahlt und in der Freizeit.
„Dafür opfert man seine Urlaube und den Zeitausgleich“, erzählt Iris Andert, Einzelhandelskauffrau und zweifache Mutter. „Aber wer bei der Freiwilligen Feuerwehr ist, der lebt das, der ist mit Haut und Haar dabei.“ Ihre Kollegin Jasmin Mach, im Brotberuf Krankenschwester, ergänzt: „Das ist wie ein Virus, der einen nimmer loslässt.“ Mittlerweile hat sich der Aufenthaltsraum gefüllt, in Gruppen sitzen die Männer und Frauen herum, plaudern und lachen. „Eine einfache Erklärung, warum wir das machen, gibt es nicht“, sagt Gerhard Urschler. „Jeden treibt etwas anderes herein, aber jeder kommt einmal am Tag vorbei.“
Engagement und Teamgeist
Während es in Wien nur zwei Freiwillige Feuerwehren gibt und der Großteil der Arbeit von der Berufsfeuerwehr bestritten wird, sieht es in Niederösterreich ganz anders aus. Im größten Bundesland gibt es keine Berufsfeuerwehr, „wenn man von der Feuerwehr am Flughafen Wien absieht“, sagt der Kremser Kommandant. Ob Hochwasser, der Austritt von Chemikalien oder eine Massenkarambolage auf der Autobahn – bei Vorfällen wie diesem sind es in Niederösterreich ehrenamtlich tätige Menschen, die helfen und für Sicherheit sorgen. Und das nicht nur hie und da.
Allein die Freiwillige Feuerwehr Krems bewältigte 950 Einsätze im Jahr 2016. „Wir fahren ein Wachesystem, um die Last zu verteilen“, erklärt Gerhard Urschler. „Dafür wurden acht Wachen rund um Krems zusammengelegt; je nach Schwere des Einsatzes wird entschieden, wie viele Fahrzeugzüge von welcher Wache ausfahren.“ Dieses System ist in Niederösterreich allerdings die Ausnahme – aber das könnte sich ändern, aufgrund der Nachwuchsprobleme. „Gerade strukturärmere Gegenden sind davon betroffen“, so der Kommandant. „Durch die Landflucht und das verstärkte Pendeln sind in manchen Orten die Feuerwehren auf Dauer nicht mehr aufrechtzuerhalten.“
In Krems selbst gibt es keine Nachwuchsprobleme. „Aber die Drop-out-Quote bei der Freiwilligen Feuerwehr ist schon hoch“, gibt Gerhard Urschler zu. „Gerade bei der Jugendfeuerwehr liegt sie bei 50 Prozent.“ Andererseits gibt es auch Mitglieder wie Frieda Ott. Sie ist seit 1998 in Krems dabei. „Damals waren Frauen noch rar“, erzählt sie. „Aber ich wollte unbedingt auf Einsätze mitfahren.“ Nach 19 aktiven Dienstjahren ist sie nun für die Versorgung zuständig. „Das Hochwasser von 2002 hat mich da schon an meine Grenzen gebracht“, gibt Frieda Ott offen zu. „Meine Aufgabe war, jeden Tag 300 Leute zu verpflegen – und das drei Wochen lang.“ Wenn sie am Abend ins Bett fiel, hatte sie das Gefühl, am nächsten Morgen nicht mehr aufstehen zu können. „Und dann war ich pünktlich um sechs Uhr früh auf der Wache“, sagt sie. „Man ist halt in seinem Job drinnen.“
Vielfalt und Anerkennung
Möglicherweise ist das der große Pluspunkt bei der Freiwilligen Feuerwehr. Abgesehen von einer langen Tradition ist der soziale Status im Gegensatz zu anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten hoch. Nicht nur in der Gesellschaft, auch in der Politik gibt es ein klares Bekenntnis zur Freiwilligen Feuerwehr. Und: Es ist die Vielfalt, die viele anspricht. „Man kann Fahrzeugkommandant werden, zur Wasserwache gehen oder eine Atemschutzausbildung machen – die Liste ist schier unendlich“, weiß auch Gerhard Urschler. „Trotz allem Spezialistentum muss bei einem Einsatz aber jeder fähig sein, herzukommen und zu helfen.“
Das Fachwissen, das sich die Frauen und Männer bei der Freiwilligen Feuerwehr zum Teil aneignen, ist gewaltig. Urschler: „Im Zuge ihrer Ausbildung gehen die Feuerwehrleute wirklich in die Grenzbereiche von Physik und Chemie. Oder wissen Sie, welche Tröpfchengröße bei welchem Brand ideal ist?“ Jasmin Mach etwa hat sich auf das Fahren von Zillen spezialisiert. Die junge Frau ist damit auch hin und wieder mit Wasserleichen konfrontiert. „Natürlich gibt es Situationen, die belastend sind“, sagt sie. „Aber hier gibt es immer jemanden, mit dem man darüber reden kann.“
Freiwillige Feuerwehr Krems
Damit bei jedem Einsatz höchste Effizienz gegeben ist, muss jeder einzelne üben und regelmäßig Fortbildungen absolvieren.
Sauberes Arbeiten
Die Hilfsmittel müssen penibel genau aufbewahrt werden. Daher wird das Aufrollen der Schläuche immer wieder perfektioniert.
Immer wieder üben
Am Gelände der FF Krems können gewisse Aufgaben regelmäßig praktiziert werden, etwa das Aufbrechen von Türen.
Alles an seinem Platz
Bei einem Einsatz kann nicht gesucht werden - jedes Ding muss griffbereit sein.
Kontrolle ist nötig
Nach einem Einsatz wird alles gecheckt, selbst wenn die Sauerstoffflaschen gar nicht benötigt wurden.
Wieder richtig verstauen
Und nach der Kontrolle wird alles wieder an seinen Platz geräumt.
Jeder ist für jeden da
Ob es um darum geht, ob der Helm richtig sitzt, oder ob jemand zum Reden benötigt wird - die Kollegen lassen sich nicht im Stich.
Auch in der Nacht einsatzbereit
Wer bei der Freiwilligen Feuerwehr ist, muss damit rechnen, dass mitten in der Nacht das Handy läutet. Denn passieren kann zu jeder Uhrzeit etwas.
Ist das das Geheimnis, warum österreichweit über 300.000 Männer und Frauen neben ihrem 40-Stunden-Job jederzeit bereit sind, auf einen Einsatz zu fahren? „Der Zusammenhalt ist schon sehr groß“, bestätigt Gerhard Urschler. „Allein 2016 waren wir in Krems mit 14 Toten konfrontiert – nach dem einen oder anderen Einsatz sind wir noch bis drei Uhr früh zusammengesessen und haben das ausgeredet.“ Die Freiwillige Feuerwehr sei für ihn wie eine zweite Familie, sagt er, und: „Der einzige Grund aufzuhören wäre für mich, wenn uns seitens der Politik unüberwindbare Hürden in den Weg gelegt werden. Bis dahin bin ich jeden Tag auf der Wache.“
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