Sie bieten aber mehr als Spaß. Sie sind auch Orte des Egalitären, an denen es – wo sonst findet man das im Leben? – kein Oben und kein Unten gibt: Im Flackerlicht sind für einen langen Moment alle Unterschiede ausgeräumt, alle Politik und alles Trennende unwichtig. Das ist keine Verklärung: Begründet wurde die Discokultur von schwulen Schwarzen in Amerika, die sich einen Ort gesucht haben, an dem sie die brutalen gesellschaftlichen Hürden
des Alltags nicht erleben müssen. Dessen Sorgen lassen sich bei lauter Musik und mehr oder weniger stilvoller rhythmischer Gruppengymnastik wunderbar vergessen.
Gerade die jungen Menschen haben das nun bitter nötig. Sie sind die am schwersten von den Corona-Maßnahmen betroffene Bevölkerungsgruppe – denn sie sind gleich mehrfach zum Handkuss gekommen. Sie haben zwar nicht mehr Zeit in Lockdowns verbracht als ihre Eltern und Großeltern. Aber das ist relativ: Im Sturm und Drang des Jungseins zählt jeder Tag, jede Woche, manchmal jede Minute mehrfach. Man schreckt sich bei dem Gedanken, wie viele lebensentscheidende Momente in diesen 15 Monaten versäumt wurden.
Den Jungen wurde auch die höchste Solidaritätsleistung abverlangt: Sie hatten den gesamten Ärger bei vergleichsweise geringer Gefahr für sich selbst. Und sie werden die sein, die die Rechnung für die Fonds und Hilfen und Kosten der Pandemie zahlen werden.
Nun endlich gibt es auch für junge Menschen spürbare Pandemieerleichterungen. Es ist Zeit, vor dem Spiegel die vergessenen Moves wieder einzuüben. Denn ab 1. Juli kommt die Clubkultur wieder in Schwung (wobei die Getränkepreise niemandem abgegangen sind). Es gilt, Freiheit, Freude, Selbstvergessenheit aufzuholen, so weit das geht. Und für lange Nächte die Sorgen mal sein zu lassen. Nicht nur die vergangenen. Denn in die Freude über Lockerungen und auch das Aufatmen vieler, dass die FFP2-Masken abgelegt werden dürfen, mischt sich rasch wieder eine gut eingeübte Schwere.
Wie sorglos lässt es sich als Junger wirklich tanzen, wenn ein Impftermin auch Anfang Juli noch nicht in Sicht ist? Macht diese oder vielleicht die nächste Virusvariante rasch wieder Schluss mit Clubs und Rockfestivals? Die nächste schwierige Herausforderung wird für viele Junge wie Nicht-mehr-Junge sein, diese Ängste, in denen sich das Leben zuletzt abgespielt hat, zum richtigen Moment auch wieder loszulassen. Das kann man auf der Tanzfläche üben. Und das ist die lohnendere Beschäftigung als das Panikscrollen durch die Corona-News, das uns das letzte Jahr an allzu vielen Abenden begleitet hat.
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