Mit 130 km/h freihändig auf der Autobahn: Was der neue 5er-BMW noch alles kann
Die Hände im Schoß, reicht bereits ein kurzer Blick in den Seitenspiegel, damit der neue BMW 5er die Spur wechselt. Mit der ab Oktober ausgelieferten Businesslimousine, die es in Form des i5 in der achten Generation erstmals vollelektrisch gibt, sind die bayrischen Autobauer einen großen Schritt näher am vollautonomen Fahren – ein Fahrerlebnis das Rivalen - allen voran Tesla - schon seit Jahren versprechen, das sich in der Umsetzung allerdings als schwierig gestaltet.
Die Bayern haben in Deutschland jetzt allerdings die Erlaubnis für autonomes Fahren auf dem Level 2+. Konkret bedeutet das, dass der Lenker dauerhaft ohne Hände hinter dem Steuer Platz nehmen kann und dabei selbst für den Spurwechsel das Lenkrad nicht berühren muss - tatsächlich eine Weltneuheit. In Deutschland und in Nordamerika ist der Autobahnassistent mit bis zu 130 km/h bereits zugelassen.
Mit Sondergenehmigung in Portugal
Eine Probefahrt im i5 eDrive40 in Lissabon zeigt, warum. BMW veranstaltete dort anlässlich der Einführung des neuen Modells ein mehrtägiges Event, bei dem ausgewählte Journalisten aus mehreren Ländern den i5 eDrive40 sowie den größeren i5 M60 xDrive erstmals Probe fahren durften. Für zwei Tage standen dem KURIER die Fahrzeuge dabei zur Verfügung und konnten auf Autobahnen, entlang der Küste sowie auf Bergstraßen intensiv getestet werden.
Zwar braucht es auch in und rund um Lissabon noch eine Sondergenehmigung für das dauerhafte Fahren ohne Hände, doch sobald man in dem neuen BMW-Oberklassemodell den Stadtverkehr hinter sich lässt und über die Tejo-Brücke geräuschlos auf die Autobahn gleitet, ist klar, dass sich die Reiselimousine hier – auch ohne Eingreifen des Fahrers – wohl fühlt.
Einen Knopfdruck, mehr braucht es nicht, damit das Auto übernimmt. Bei 120 km/h meldet sich der 5er erstmals und schlägt einen Spurwechsel vor, um einen Lastwagen zu überholen. Dann geht es schnell, schaut der Fahrer in den linken Seitenspiegel, blinkt der i5 selbstständig und setzt sanft zum Überholmanöver an.
Das Gefühl, wenn das – erneut etwas klobig ausgefallene – Lenkrad sich ohne Zutun des Fahrers leicht gegen den Uhrzeigersinn dreht und das zwei Tonnen schwere Fahrzeug ohne den geringsten Ruckler auf die mittlere Fahrspur bewegt, ist aufregend und faszinierend zugleich.
Faszinierende Technik
Nach ein paar Überholvorgängen ist jedoch jegliche Nervosität verflogen. Es überwiegt die Faszination, besonders wenn man an den E12 zurückdenkt – den ersten 5er, der im Sommer 1972 vom Band rollte. Die Gedanken schweifen lassen, das kann man in der neuesten Limousine tatsächlich. Der Lenkassistent hält stabil die Spur, Abstände werden präzise eingehalten. Dass für die adaptive Geschwindigkeitsbremsanlage Sensoren verbaut wurden, die weit in die Ferne blicken, ist spürbar. Die von BMW versprochene Entlastung ist somit speziell bei längeren Fahrten denkbar – wenngleich diese mit Einschränkungen kommt.
- „Level 1“ ist auf Österreichs Straßen längst Realität: Immer mehr Fahrzeuge werden mit einem automatisierten Bremssystem oder Abstandsregelung ausgeliefert.
- „Level 2“-Fahrzeuge bieten die Möglichkeit des automatischen Einparkens und Spurhaltens. Hier muss der Fahrer nicht durchgehend zum Lenkrad greifen.
- Manche Autobauer bieten auch schon „Level 3“ an: Dabei übernimmt der Wagen in bestimmten Situationen alle Aufgaben, allerdings muss der Fahrer oder die Fahrerin bereit sein das Steuer zu übernehmen
- Richtig spannend wird es ab „Level 4“: Das Auto fährt komplett selbstständig, zum Beispiel auf bestimmten Autobahnabschnitten. Der Lenker übernimmt das Steuer erst wieder bei der Autobahnausfahrt.
- Bei den „Level 5“-Fahrzeugen handelt es sich um echte Roboterautos, die jede Strecke autonom zurücklegen können, sogar ein Lenkrad ist nicht mehr zwingend notwendig. Ein Zukunftsszenario, das unter den richtigen Bedingungen technisch in greifbarer Nähe ist – allerdings muss sich rechtlich noch einiges ändern, bis der Computer zum Chauffeur werden darf.
Einerseits wäre der Preis zu nennen. Die - in Österreich bisher noch nicht zugelassene - Kombination aus Fahrerassistenz- und Autobahnassistenzsystem kostet rund 10.000 Euro extra. Das ist selbst bei den elektrischen 5ern, die bei 70.200 Euro für den i5 eDrive40 und 99.500 Euro für den i5 M60 losgehen, ein ordentlicher Aufschlag. Andererseits funktionieren die Assistenzsystem nur mit Blick auf die Straße. Eine Infrarotkamera über dem Zwölf-Zoll-Digitaltacho verfolgt die Augen. Und zwar so genau, dass selbst mit Sonnenbrille freihändig gefahren werden kann. Aber eben nur, solange der Blick nach vorne gerichtet ist.
Wandert die Aufmerksamkeit auf das Smartphone oder zum Beifahrer ertönt nach einigen Sekunden ein Warnsignal. Wird dieses ignoriert, reduziert der 5er die Geschwindigkeit. Der Fahrer muss früher oder später manuell eingreifen.
Überraschend agil
Dem einen oder anderen 5er-Fahrer ist es wahrscheinlich ohnehin lieber, selbst zu steuern, denn der Fahrspaß kommt bei der Neuauflage nicht zu kurz. Zwar merkt man während der Probefahrt auf portugiesischen Bergstraßen in Sachen Lenkung, dass das Auto auf ein Leergewicht von 2.130 Kilo kommt, doch insgesamt ist es dafür recht handlich – besonders mit dem im Testauto verbauten adaptiven Sportfahrwerkt samt Hinterachslenkung.
Der i5 eDrive40, der kleinere der elektrisch angetriebenen 5er BMW, kommt auf eine Leistung von 250 Kilowatt und 340 PS, es geht also merkbar etwas weiter. Genau genommen so viel, dass die winkeligen Küstenstraßen Portugals, deren enge Kurven als natürliches Tempolimit dienen, ideal geeignet sind, um das Sportfahrwerk auch abseits der Rennstrecke bestimmungsgemäß zu testen.
Insgesamt ist die Lenkung, wie man es von BMW kennt, präzise, sodass der i5 in den Serpentinen auch bei hohem Tempo stabil und vor allem komfortabel in der Spur liegt. Zielgenaues Fahren bei mehr als zwei Tonnen könnte man sagen.
Die Dimensionen des neuen 5er, der auf knapp drei Meter Radstand kommt und im Vergleich zum Vorgängermodell um einiges länger, breiter und höher ist, geraten dank des beeindruckenden Fahrwerks in Kombination mit der Hinteradlenkung selbst auf verwinkelten Routen in Vergessenheit. Lediglich den Spurhalteassistenten schaltet man auf derartigen Strecken gerne aus, sofern das Fahrerlebnis nicht durch ruckartige Hilfestellungen getrübt werden soll.
In allen Antriebsformen und mit Know-how aus Österreich
Der neuen 5er BMW kommt mir vier unterschiedliche Fahrwerken, zudem wird zwischen Verbrennern und elektrifizierten Limousinen unterschieden. Je nach Region lassen die Bayern den Kunden noch die Wahl, was die Antriebsform betrifft: Neben den vollelektrischen Modellen wird es auch Plug-in-Hybride, Benziner sowie technisch hochmoderne Dieselmotoren mit vier und sechs Zylindern geben.
Produziert wird die neue Modellgenerationen im niederbayrischen BMW-Werk Dingolfing, wo auch die Elektromotoren und Hochvoltbatterien für den i5 gefertigt werden. In der neuen Reihe steckt aber auch Ingenieurswissen aus Österreich. Rund 60 Prozent der Otto- und Dieselmotoren werden im oberösterreichischen Steyr gefertigt. Der Hochvoltspeicher wurde zudem dort entwickelt.
Im i5, der getesteten Elektrovariante, ist als Basis das klassische Standardfahrwerk mit Luftfederung an der Hinterachse verbaut, das für viel Komfort sorgt. Dann gibt es das Sportfahrwerk, das acht Millimeter tiefer gelegt ist sowie das adaptive Sportfahrwerk, das vier Millimeter Tieferlegung auskommen muss. Im i5 M60 xDrive, dem noch sportlicheren Topmodell, kommt das ebenfalls adaptive, jedoch wiederum acht Millimeter tiefergelegte Fahrwerk zum Einsatz.
Technische Details, Design und Ausstattung
Während der i5 eDrive40 in sechs Sekunden von null auf 100 km/h beschleunigt und seine Höchstgeschwindigkeit 193 km/h beträgt, braucht der M60 xDrive sogar nur 3,8 Sekunden und erreicht einen elektronisch begrenzten Top-Speed von 230 km/h. Dafür stehen ihm 600 PS zur Verfügung.
Die Batterie des neuen 5er E-Modells speichert 81,4 Kilowattstunden. Die Reichweite ist mit 497 bis 582 Kilometer angegeben, soll sich durch einen Energiesparmodus aber noch um 25 Prozent erhöhen lasse. Inwiefern das in der Praxis funktioniert, wird sich zeigen. Der testgefahrene i5 eDrive40 wurde seit seiner erstmaligen Inbetriebnahme jedenfalls einige Tausendkilometer bewegt und bringt es dabei auf einen Verbrauch von 22 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Ein Wert, der als durchaus im Rahmen angesehen werden kann.
Der von BMW im Vorfeld versprochene Zusatzkomfort im modern gestalteten Cockpit ist gegeben. Besonders die eleganten und durch und durch veganen Sitze, die Echtleder um nichts nachstehen, sind hervorzuheben. Was die massive Front angeht, werden die Geschmäcker hinsichtlich der Eleganz wohl auseinandergehen. Die charakteristische Niere, die es jetzt auch beleuchtet gibt, ist aber definitiv ein Blickfang.
Im Inneren finden sich weniger Knöpfe als bei Vorgängermodellen, weil mittlerweile so gut wie alles via Touchscreen geregelt werden kann. Unter anderem auf einem 14,9-Zoll-Infotainment-Bidlschirm, der während des Ladevorgangs der E-Versionen auch für vorinstallierte Spiele, bei denen das Smartphone als Konsole dient, oder zum Schauen der Deutschen Bundesliga genutzt werden kann. Die dafür notwendige App funktioniert auch in Österreich - anders als das noch nicht zugelassene Autobahnassistenzsystem.
Österreichische Lenker, die auf eine Zulassung warten wollen, könnten unter Umständen aber auch gleich einen Schritt weiter denken.
Bald noch mehr möglich
Während das Spur- und Abstandhalten mit unbegrenzter Dauer dank – illegalen – etwa im Internet erhältlichen Lenkradgewichten schon länger möglich war bzw. in der oberen Mittelklasse und Oberklasse bereits teilautomatisierte Systeme zur Spurführung verkauft werden, ist der per Augenkommando initiierte Spurwechsel von BMW durchaus etwas Besonderes.
Gleichzeitig haben die Bayern jetzt aber schon den nächsten Schritt angekündigt, der Automatisierungsfans noch deutlich mehr ansprechen dürfte. Denn wie unlängst bekannt wurde, hat BMW nach Mercedes ebenfalls die Zulassung für automatisiertes Fahren der Stufe 3 erhalten. Anders als der „Autopilot“ beim neuen 5er BMW muss der Fahrer die Straße also nicht mehr Blick haben – bei Unfällen haftet der Autohersteller. Vorerst soll aber nur die 7er-Reihe das System bekommen.
Dass das Auto in Eigenregie entscheidet, ist dennoch ein immenser Schritt am Weg zu den sogenannten „Robotaxis“. Allerdings kommt auch diese Funktion mit Grenzen: Vorerst gilt die Zulassung nur in Deutschland und bei bis Tempo 60 als Staupilot auf der Autobahn. Außerdem muss das Wetter passen, sprich gute Sicht gewährleistet sein. Nicht außer Acht zu lassen, sind zudem die für das System notwendigen Radarsensoren, die den Preis wohl um einige Tausend Euro nach oben schnalzen lassen.
Kunden, denen es das wert ist, können diese Form der Autonomie zumindest in Deutschland schon bald erleben. Früher oder später wohl auch in der 5er-Reihe. Allerdings nur solange, das Fahrzeug eine Situation problemlos einordnen kann. Ist das nicht der möglich, ertönt ein Warnsignal. Der Fahrer hat zehn Sekunden Zeit, um die Kontrolle wieder zu übernehmen. Im Falle des 5er BMW kein Problem, denn der fährt sich auch Händen am Lenkrad und „Bleifuß“ richtig gut.
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