Das langsame Ende der Familien-Vans
Von Idylle ist bei einer fünfköpfigen Familie, die sich in einen alten Kombi quetscht, wenig zu spüren. Eher beginnt jede Ausfahrt mit einer traurigen Showeinlage: Ein Erwachsener muss sich an einem der Kindersitze, die links und rechts in der zweiten Sitzreihe mit Isofix montiert sind, vorbeistretchen, sich dann in die mittlere Sitzlücke wobbeln, nun noch Füße links und rechts vom Kardantunnel verstauen. Ein Kind sitzt im Kindersitz am Beifahrersitz. Stress pur.
Die Sehnsucht, nach einem komfortablen, vor allem sicheren und, soweit das möglich ist, umweltfreundlichen Auto wächst nach solchen Szenen. Es soll eines sein, in das alles einfach hineingeschoben werden kann: Kinderwagen, Kinder, Hund, alles für das Bordservice, Gepäck. Ein Familien-Van muss her, ein Renault Espace (der Klassiker, oben im Bild) oder ein VW Sharan, ein Seat Alhambra oder ein Ford Galaxy.
Die Letzten ihrer Art
Überraschend ist, dass dieser Wunsch selten geworden ist. Obwohl es immer noch Familien gibt. Nach ihrem 30-jährigen Siegeszug verschwinden die Familien-Vans zunehmend aus dem Sortiment der Hersteller. Der Grund dafür: ganz einfach die sinkende Nachfrage. Laut einer Erhebung von Jato Dynamics wurden 2018 in Deutschland, Österreich und der Schweiz 411.000, zu den MPV (Multipurpose Vehicles) zählende, Minivans und Vans verkauft. 2013 waren es noch 517.000.
Noch deutlicher wird das leise Verschwinden der Familien-Vans mit den Zahlen der Statistik Austria: Wurden von Jänner bis September 2015 in Österreich noch 7.607 Großraumvans (zu diesem Segment zählt die Statistik Austria die Modelle Renault Espace, VW Sharan, Seat Alhambra, Ford Galaxy und Ford S-Max) neu zugelassen, sind es im gleichen Zeitraum 2020 nur noch 4.926.
In Folge der sinkenden Nachfrage reduzierten viele Hersteller in den vergangenen Jahren auch ihre Anstrengungen im Van-Segment und strichen etliche Modelle oder gönnten ihnen eine Rundumerneuerung. So erging es dem Urvater der europäischen Familien-Vans, dem Renault Espace. Seit 2015 tritt er sportlich und elegant als Crossover in Erscheinung.
Der VW-Konzern ließ Innovationen an seinen Van-Modellen sogar großteils vorbeiziehen und bietet den VW Sharan und den Seat Alhambra seit heuer nur noch mit 1.4 TSI Benzinmotor und manueller Schaltung sowie automatischem DSG an. Geben soll es die beiden Modelle aber jedenfalls bis 2023, versichert das Unternehmen.
Einzig Ford macht es anders und investiert noch einmal in seine großen Vans, den Galaxy und den S-Max. Ab 2021 werden beide Modelle mit Hybrid-Unterstützung angeboten.
Wo die Zukunft liegt, ist schon jetzt auf den Straßen zu erkennen. „Wir sehen in den vergangenen Jahren in Europa einen deutlichen Trend hin zu anderen Segmenten, wie zu den SUV oder Teil- bzw. vollelektrischen Fahrzeugen. Dieser Trend wird sich aktuellen Prognosen nach auch in Zukunft fortsetzen“, so ein Porsche Sprecher. Laut Jato Dynamics ist bereits jedes dritte neu zugelassene Auto in Europa ein SUV. Neben den SUV sägen Geländefahrzeuge (GFZG) am Kundenstamm der Familienvans. Von Jänner bis September 2020 wurden 57.648 SUV und GFZG neu zugelassen. Auf Platz eins in dieser kumulierten Kategorie steht der VW T-Roc, der 3.424-mal neu zugelassen wurde.
Eine Familie mit drei kleinen Kindern hat in einem SUV jedoch nur selten ausreichend Platz. Dann schon eher in einem Kleinbus oder in einem Hochdachkombi.
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