Seit geraumer Zeit schon ist zu bemerken, wie die Koalitionsparteien stärker auf Distanz zueinander gehen, ihr eigenes Profil schärfen und Botschaften für die jeweilige Klientel absetzen. Zuletzt hat sich etwa Werner Kogler in einer inhaltlichen wie verbalen Radikalität für „Millionärssteuern“ ins Zeug gelegt, die einer KPÖ plus/minus alle Ehre gemacht hätte. Davor war Leonore Gewessler in Sachen Verstaatlichung der OMV-Gastochter vorgeprescht.
Aber auch die ÖVP nimmt erkennbar immer weniger Rücksicht auf den Koalitionspartner – Stichwort „Autoland“ – bzw. grenzt sich generell von linken Ideen ab, die vielfach SPÖ und Grüne verbinden. So widersprach Susanne Raab dem Regierungskollegen Johannes Rauch, weil dieser „genderkorrekt“ von „schwangeren Personen“ gesprochen hatte; Karoline Edtstadler wandte sich auf Facebook gegen „mehr Staat“, 32-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich oder Mindestlohn.
Was ÖVP und Grüne betrifft, so kann man die jüngsten Entwicklungen freilich auch so sehen, dass nunmehr einfach zur Kenntlichkeit entstellt wird, was von Anfang da war: ein Bündnis zweier in fast allen Fragen diametral positionierter Parteien. Aber beide können zurzeit kein Interesse an Neuwahlen haben, weswegen die Chance groß ist, dass zum zweiten Mal seit 2008 bis 2013 die Regierung eine ganze, fünfjährige Legislaturperiode durchhält.
Für die Grünen (und die SPÖ) kommt erschwerend dazu, dass mit der KPÖ eine neue, ernsthafte Konkurrenz aufgetaucht ist. Laut KURIER/OGM-Umfrage kann sich mehr als jeder Dritte zumindest vorstellen, die KPÖ zu wählen. (Irgendwann muss das ja auch wirklich einmal funktionieren mit dem Kommunismus/Realsozialismus …)
Genüsslich kostet, wie könnte es anders sein, Herbert Kickl die Gemengelage aus. Bei seiner 1.-Mai-Veranstaltung in Linz konnte er aus dem Vollen schöpfen und in alle Richtungen austeilen. Geschickt fischt er in den Teichen links und rechts der Mitte. Wobei freilich am Ende des Tages die Wahrscheinlichkeit einer Zusammenarbeit mit der ÖVP – trotz Kickls Präferenz für die SPÖ – deutlich größer ist.
Für die SPÖ ist eine drohende ÖVP-FPÖ-Regierung das perfekte Feindbild – vielleicht der letzte Kitt, der diese Partei noch zusammenhält.
Für die ÖVP ist es eine heikle Gratwanderung. Sie weiß, dass Kickl mit vielem, was er sagt, auch die Saiten ihrer eigenen Klientel zum Schwingen bringt. Dass sie aber die Radikalität und Untergriffigkeit zurückweisen muss. Dabei nicht als der Schmiedl neben dem Schmied übrig zu bleiben, ist keine geringe Herausforderung.
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