Zurück zur Normalität
Gurgeltest in Wien
Es wirkt auf den ersten Blick paradox: Mit etwas mehr als 34.000 Neuinfektionen erleben wir einen neuen Corona-Höhepunkt, und zur gleichen Stunde erklärt die Regierung den Lockdown für Ungeimpfte für beendet. Es könnte kein klareres Signal dafür geben, dass sich die ernste Phase der Pandemie dem Ende nähert. Dass die Politik erkannt hat, dass Omikron die Kapazitäten unserer Spitäler nicht mehr in jenem Ausmaß gefährdet wie alle vorher dagewesenen Varianten.
Dazu kommt, dass sich ein Lockdown nur für Ungeimpfte so gut wie nicht kontrollieren lässt. Arbeitsplatz, Supermärkte, öffentliche Bereiche waren ja immer erlaubt. Und da die 2-G-Beschränkungen für den Handel und viele andere Bereiche vorerst aufrechtbleiben, gibt es nun quasi einen Lockout für nicht immunisierte Menschen. Der Unterschied ist mit der Lupe zu suchen.
Doch warum bleiben Vorsichtsmaßnahmen vorerst aufrecht? Israel, Großbritannien, auch viele andere Länder haben die Masken im wahrsten Sinne des Wortes fallengelassen, in Israel glaubt man, bereits ab kommender Woche die Herdenimmunität erreicht zu haben. In Österreich geht es aber noch darum, dass nicht durch Hunderttausende Krankenstände das öffentliche Leben und die Infrastruktur zusammenbrechen. Der starke Anstieg der Zahlen muss möglichst noch über zwei, drei Wochen gestreckt werden.
Frage nach nächstem Schritt
Doch dann, wenn die Zahlen wieder sinken, das Virus aber weiterhin unter uns ist, wird sich die Frage nach dem nächsten Schritt im Umdenkprozess bei dieser Pandemie stellen. Seit fast zwei Jahren veröffentlicht die Politik – und auch der KURIER – die täglichen Infektionszahlen. Geordnet nach Bundesländern, hochgerechnet auf Inzidenzen, R-Faktoren, Test-Positivraten und vieles mehr. Wenn Corona aber – außer für ältere, vorerkrankte und ungeimpfte Menschen – keine große Gefahr mehr darstellt, werden wir uns davon verabschieden müssen – und diese Fragen wieder der Wissenschaft überlassen.
Ein Gedankenexperiment: Hätten wir bisherige Infektionen (wie die jährliche Grippe oder leichtere grippale Infekte) mit so großer Verve vor den Datenschirmen verfolgt, jeden Schnupfen, weil er ansteckend ist, als meldepflichtige Krankheit verbucht, die Spitalskapazität wegen Betten, die am Gang stehen, so genau beobachtet – wir hätten jedes Jahr nur noch ein Gesprächsthema gehabt. Wir würden sämtliche Virusmutationen, Impfnebenwirkungen oder Symptome zwar auswendig aufzählen können. Wir würden uns aber auch verrückt machen.
Kein Verharmlosen
Das ist jetzt kein Verharmlosen der bisherigen Pandemie. Vor Omikron war alles anders, die Bilder aus den Spitälern haben uns das klar vor Augen geführt. Und es kann sich auch rasch wieder zum Schlechteren wenden: Wenn eine neue, gefährlichere Variante auftaucht oder Long Covid nachhaltig ein Problem bleibt. Aber es ist ein Appell, langsam aber sicher zur Normalität zurückzukehren.
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