Zuerst der Ruin, dann der Freispruch

Drei Monate lang war der grüne Vizekanzler Werner Kogler im Jahr 2021 auch Justizminister, als seine Parteikollegin Alma Zadić wegen der Geburt ihres Kindes eine Regierungspause einlegte. Das macht ihn noch nicht zu einem Justizexperten. Dennoch habe er in dieser Zeit einiges mitbekommen, wie Werner Kogler am Montag beim ORF-Sommergespräch andeutete.
Umso bemerkenswerter war, dass er Sympathie für die Stärkung der Beschuldigtenrechte zeigte. Vor allem, wenn es um den staatlichen Kostenersatz nach einem langen Verfahren geht. Derzeit werden Beschuldigte nach einem Freispruch mit ein paar Tausend Euro abgespeist. Auf den hohen Rechtsanwaltskosten, die davor angefallen sind, bleiben sie sitzen.
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Der grüne Parteichef nannte da sogar seinen blauen Vorgänger Heinz Christian Strache als Beispiel, der sich zwar zuletzt über Freisprüche freuen konnte, wegen der vielen Verfahren, die die Staatsanwaltschaft gegen ihn angestrengt hat, aber große Schwierigkeiten hat, das Geld für seine Verteidiger aufzubringen. Noch schlimmer ist der Fall des ehemaligen Ex-Spionageabwehrchefs, den das profil aufgezeigt hat. Als einer der Hauptbeschuldigten in der Affäre um den ehemaligen Verfassungsschutz BVT wurde er von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angeklagt, aber alle Verfahren endeten mit Freisprüchen. Mit dem Ergebnis, dass seine Existenz ruiniert ist.
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"Das ist dramatisch", sagte nun Werner Kogler im Zusammenhang mit den Beschuldigtenrechten. Seine Justizministerin Alma Zadić sollte das als Auftrag sehen, hier endlich tätig zu werden. Grundsätzlich hat sie ja Verständnis bekundet. Sie sei – genauso wie der Koalitionspartner ÖVP – an verbesserten Beschuldigtenrechten interessiert. Bis auf einige Symposien zu dem Thema ist aber noch nichts Entscheidendes passiert.
Langfassung: Sommergespräch mit Werner Kogler, Die Grünen
Der Grund dafür ist auch schnell festgemacht: Die Beschuldigtenrechte werden mit der Einführung eines General- oder Bundesstaatsanwalts verknüpft. Und da sich die beiden Koalitionsparteien auf die Rahmenbedingungen nicht einigen können, bleibt alles ganz einfach liegen. Die pragmatische Lösung wäre, die beiden Themenkomplexe zu trennen und separat zu verhandeln. Die Beschuldigtenrechte sind da sicherlich dringlicher als vieles andere – auch der Generalstaatsanwalt.
Ein Jahr bleibt Alma Zadić und ihrem Gegenüber in der ÖVP, Karoline Edtstadler, noch Zeit, um die von Werner Kogler als "dramatisch" eingestufte Situation von Beschuldigten zu verbessern. Das wäre ein großer Wurf, begleitet von viel Applaus. Beim Generalstaatsanwalt rechnet ja ohnehin niemand mehr damit, dass dieser noch vor der Nationalratswahl 2024 eingeführt wird.

Martin Gebhart
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