Würde hat der Mensch, nicht Volk oder Nation

Viktor Orban hat die Menschenrechte nicht kapiert, aber wie man mit ihm umgehen soll, bleibt umstritten.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Es war dann doch überraschend, wie deutlich die Abgeordneten des EU-Parlaments für ein Verfahren gegen die ungarische Regierung gestimmt haben. Sachlich ist das gut zu begründen: Wer die Justiz unterjocht, die Medien kontrollieren will und Verteidiger der Menschenrechte verachtet, muss akzeptieren, dass sein Platz in der EU hinterfragt wird. Orban und andere sind aber geschickt genug, dieses Votum zu ihrer Propaganda umzufunktionieren, und das ist das Problem dieses Beschlusses. Alleine seine Äußerung, „die Ehre des ungarischen Volkes sei verletzt“ zeigt, wie das läuft. Nein, Orban ist nicht das Volk.

Angela Merkel hat zur selben Zeit, als die Abstimmung in Straßburg lief, im Berliner Bundestag die Grundlage für ein lebenswertes Europa formuliert, indem sie Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes zitierte: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Hier verläuft in Wirklichkeit der Graben durch Europa: Zwischen Personen, die durch die Überhöhung des eigenen Volkes Emotionen gegen andere wecken – und solchen, die Freiheit, Menschenrechte und dadurch die Würde verteidigen. Diesen Diskurs müssen wir sehr ernsthaft führen, und er passt ganz sicher weder in der Tagespolitik noch in ein paar Twitter-Zeilen. Genau das wissen die Orbanisten und ihre rechten Freunde, und umso mehr werden sie Emotionen schüren, die ausgrenzen und das Zusammenleben schwieriger machen.

Aufschlussreich für Bundeskanzler Kurz sollte die Reaktion der gelenkten ungarischen Presse auf seine Unterstützung des EU-Verfahrens gegen Ungarn sein: Plötzlich wird Kurz als Soros-Freund beschimpft. Ja, so ist das mit gelenkten Medien.

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