Wo Österreich "Größe" zeigen kann
Wo sind Anreize, die Erwerbsarbeit attraktiver machen als das Verharren in der Sozialhilfe?
"Make Austria great again" – unter dieses (abgewandelte Trump-)Motto hat Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl das Wirtschaftsparlament am Donnerstag gestellt. Aber wann, bitte, war Österreich "groß"? Natürlich im Habsburger-Reich, aber daran kann man nur in Teilbereichen anschließen.
Damals hatte die "Wiener Medizinische Schule" Weltruf. In einzelnen Fächern hat sie das immer noch. Doch unsensible Gesundheitsreformen, ein extrem unflexibles Arbeitszeitgesetz und absurde, intrigenanfällige Strukturen (siehe Unikliniken) gefährden diesen Vorteil. Gute Ärzte gehen ins Ausland, wo sie – etwa in der Schweiz –, deutlich mehr verdienen als hier (in der Pension kommen sie dann gerne wieder zurück). Es braucht insgesamt klarere nationale Forschungs-Schwerpunkte. Das kann man sich an asiatischen Ländern abschauen, wo Zukunftstechnologien definiert und dann große Geldmittel hineingepumpt werden.
Ein "Markenzeichen" des Habsburgerreichs war der K&K-Beamte. Allen Satirikern zum Trotz funktioniert Österreichs Verwaltung im internationalen Vergleich gut, in manchen Bereichen sogar deutlich unbürokratischer als früher (etwa bei der Pass-Ausstellung). Beim eGovernment liegen wir laut UN auf dem 16. von 190 Plätzen. Allerdings sollte man Frühpensionitis und hohe Beamten-Krankenstände stärker bekämpfen.
Ein internationales Vorzeigemodell ist die "duale Lehrlingsausbildung", Österreich gewinnt viele Lehrlingsolympiaden. Doch das Ganze steht auf tönernen Füßen, vor allem in Ballungsräumen, wo Eltern alles tun, um zu verhindern, dass ihre Kinder eine Lehre absolvieren, selbst wenn sie handwerklich begabt sind. Lehre mit Matura als echtes Karrieremodell müsste noch viel mehr unterstützt werden. Dazu braucht es aber auch mehr Bereitschaft der Jungen, eine Selbstständigkeit zu wagen und "hineinzubeißen".
Jahrzehntelang war Österreich "Vorzugsschüler" bei der Arbeitslosigkeit, jetzt rutschen wir ab, die Rate wird gegen den europäischen Trend weitersteigen. Die "Ostfantasie" ist zwar für Unternehmen noch immer da, aber für einen Teil der heimischen Arbeitnehmer kehrt sie sich gerade um. Denn besser Qualifizierte (etwa aus Bulgarien und Rumänien) verdrängen seit dem Ende der Übergangsrichtlinie die schlechter Qualifizierten (etwa Serben oder Türken). Wer noch dazu Zehntausende Flüchtlinge am Arbeitsmarkt integrieren will, muss einen (schlechter bezahlten) zweiten Arbeitsmarkt schaffen, um nicht Desintegration mit allen sozial explosiven Folgen zu schaffen. Dazu gehören auch viel mehr Anreize, um Erwerbstätigkeit attraktiver zu machen als das Verharren in der Sozialhilfe.
Wo Österreich ebenfalls "Spitze" ist, das sind die Sozialausgaben: In einer OECD-Studie liegen wir von 33 untersuchten Ländern auf Platz sechs, vor allem die Pensionsleistungen sind weit überdurchschnittlich. Das kann man positiv und negativ sehen: Positiv ist, dass die Umverteilung in Österreich besser funktioniert als anderswo. Negativ ist, dass das mit Spitzen-Steuerleistung erkauft ist und auch die Leistungsbereitschaft senkt: Wenn zum Beispiel stets die untersten Pensionen angehoben werden, sodass letztlich eine Art "Volkspension" herauskommt, speziell im ASVG-Recht, ist das wenig motivierend (Und ein "Pensionshunderter" für alle ist reinster Populismus.).
Der Tourismus – wo Österreich ebenfalls herausragend ist – sucht speziell in Westösterreich Personal. Das lockt die Wiener aber nicht hinterm Ofen hervor. Die mangelnde Mobilität ist erschreckend. Weniger als ein Prozent der Wiener Arbeitslosen lässt sich österreichweit vermitteln.
Österreich ist Europameister beim Anteil der Bio-Anbauflächen. Super. Nicht so super ist die Technik-, Naturwissenschafts-, Freihandels-, Marktwirtschafts- und Kapitalmarktphobie. Wenn Österreich wirklich wieder "great" in seiner Kleinheit werden will, gibt’s (nicht nur) hier noch einiges zu tun.
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