Wo ist die Energieministerin?

Wo ist die Energieministerin?
Putin kann uns mit einem Gas-Stopp den Wirtschaftskrieg erklären. Und wir sind selbst schuld, denn wir haben uns abhängig gemacht
Richard Grasl

Richard Grasl

Wir können natürlich gerne weiter über die Kaffeerechnung in der Vorarlberger Landesregierung diskutieren – oder die Frage, ob der private Laptop einer Ex-Finanzminister-Gattin in einem Kinderwagen oder in einer Wickeltasche war. Oder wir diskutieren über die wichtigen Fragen, über die Abhängigkeit unseres Landes vom russischen Erdgas und damit vom Schlächter Wladimir Putin, wie es so weit kommen konnte und was nun zu tun ist.

Beginnen wir mit der Vergangenheit. Dass vergangene Regierungen und die teilstaatliche OMV Österreich zu 80 Prozent vom russischen Gas abhängig gemacht haben, ist ein Skandal und sollte nochmals aufgearbeitet werden. Jedes Unternehmen, das sich in der Beschaffung seines wichtigsten Rohstoffs in derart großem Ausmaß von einem einzigen – noch dazu korrupten und gewalttätigen – Lieferanten abhängig machen würde, würde keine Kredite mehr bekommen, dafür einen saftigen Risikovermerk der Wirtschaftsprüfer, und würde wohl im Fall des Falles insolvent werden. Dabei erzählt uns der Staat seit Jahrzehnten, dass an infrastrukturkritischen Unternehmen eine öffentliche Sperrminorität gehalten werden muss, weil damit die Sicherheit des Landes garantiert werden kann. Wie die 31,5 Prozent an den OMV dafür genutzt wurden, erschließt sich nicht. In der Ära Rainer Seeles als OMV-Chef wollte man sogar die russische Abhängigkeit vergrößern und eine Beteiligung an einem norwegischen Gasfeld gegen eine der Gazprom in Sibirien eintauschen, was zum Glück scheiterte.

Ebenso zu kritisieren ist aber die kurzfristige Energiepolitik der grünen Ministerin Leonore Gewessler. Dass sie dafür ist, jetzt noch schneller auf Wind, Sonne und Erdwärme zu setzen, wissen wir bereits aus jedem ihrer Interviews, hilft aber in der Sekunde genau niemandem. Das ist, als würde ein Mensch mit akutem Herzinfarkt mit dem Plan für den nächsten Marathonlauf beginnen. Denn was Gewessler nun konkret plant, wenn Putin morgen auch bei uns den Gashahn zudreht, erfährt man nicht, vielleicht weiß sie es auch nicht. Heimische Industriebetriebe sind jedenfalls nicht informiert, ab welchem Tag nach einem Lieferstopp sie rationieren oder abschalten müssten. Während andere Länder schon intensiv mit alternativen Erdgaslieferanten verhandeln oder Kapazitäten bei Flüssiggas-Terminals gebucht haben, hören wir dazu nichts. Auch Energiespar-Kampagnen fehlen. Die nun beschlossenen 1,6 Milliarden Euro für eine strategische Gasreserve sind richtig, helfen aber nur, wenn dieses Gas jetzt auch noch fließt.

Was wir neben einem kurzfristigen Notfallplan brauchen, der uns vor einer tiefen Rezession bewahrt, ist ein realistischer Energie-Masterplan, der die gesetzten Ziele wie den Ausstieg aus fossilen Trägern ehrlich und ernsthaft einem Stresstest unterzieht, wie das 2008 bei der Bankenkrise der Fall war. Denn die bisherigen Ankündigungen sind bei der an den Tag gelegten Umsetzungsgeschwindigkeit nicht das Papier wert.

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