Wir sind da, wo wir nie hinwollten

Symbolbild
Es braucht eine Kombination aus den richtigen Impfanreizen und einer Impfpflicht dort, wo vulnerable Gruppen involviert sind.
Yvonne Widler

Yvonne Widler

„Eines der letzten Dinge, die sie tun, bevor sie intubiert werden, ist, mich um eine Impfung zu bitten“, berichtete die US-Ärztin Brytney Cobia. Das einzige, das sie den schwer Erkrankten antworten könne, sei: „Es tut mir leid, aber dafür ist es zu spät“. US-Präsident Joe Biden sprach von der „Pandemie der Ungeimpften“ und betitelte die vorherrschende Impfskepsis als amerikanische Tragödie.

Tragödie: ja. Amerikanisch: nein. 52 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen sind voll immunisiert. Fast alle, die eine Impfung wollten, haben sie erhalten. Von Herdenimmunität sind wir weit entfernt, sie liegt bei über 80 Prozent.

Im Prinzip ist es ganz einfach: Wer sich (ohne medizinische Gründe) nicht impfen lässt, gefährdet sich und andere. Das verfügbare Instrumentarium, Menschen zum Stich zu bewegen, reicht von Impfanreizen oder Sanktionen bis hin zu einer Impfpflicht – Impfgegner würden hier von Zwang sprechen. Impfzuckerl funktionieren. Zuletzt anschaulich zu beobachten im deutschen Thüringen, wo es eine Bratwurst zum Stich gab. 250 Menschen konnten dadurch mobilisiert werden. Was man ebenso weiß: Kurze Wege helfen enorm.

Geht es um etwaige Sanktionen, ist die Lage heikler. Entsprechend groß war etwa das Staunen, als die NFL kürzlich bestätigte, dass ungeimpfte Footballspieler schon bei kleinen Verstößen gegen das Corona-Protokoll bestraft werden sollen. Um die ungeimpften Spieler zu erkennen, markieren manche Teams sie bereits mit Armbändern.

Da, wo wir nie hinwollten, sind wir also angelangt. Nun müssen wir auch über eine Impfpflicht reden. Vorgeprescht ist die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die eine solche für alle neuen Landesbediensteten ankündigte. Auch wenn eine bundesweite Regelung wünschenswert wäre, Impfpflicht ist Ländersache. Der Gesundheitsminister forderte sie bereits für Personal in Spitälern und Pflegeheimen. Somit ist, wie so oft, mit einem Fleckerlteppich zu rechnen.

Doch während die einen Angst vor Trotzreaktionen haben und die anderen nicht wissen, was in einem Arbeitsvertrag verlangt werden darf, vergeht wertvolle Zeit. Es braucht eine Kombination aus Impfanreizen und Impfpflicht dort, wo sie sinnvoll ist – wenn vulnerable Gruppen involviert sind. Einen Plan braucht es für den Schulstart. Es spräche nicht viel dagegen, eine Impfpflicht jedenfalls für Lehrpersonal auszusprechen. Zeitgleich muss eine flächendeckende PCR-Teststrategie her.

Ein Problem ist das Kursieren von Falschinformationen zu Impfreaktionen. Hier muss mit Kampagnen entgegengesteuert werden. Um auch jene zu erreichen, die sich nicht selbst informieren können. Durch die Delta-Welle sind in den USA wieder mehr Menschen impfen gegangen. Wir müssen jetzt handeln, damit sie uns nicht auch erwischt.

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