Wer an einem sonnigen Sonntag auf der erfolglosen Suche nach einem offenen Restaurant vom Fitnesstracker einen neuen Schritte-Rekord gemeldet bekommt, hat ein vages Gefühl dafür, wie groß das Personalproblem im Tourismus ist.
43 Prozent der Gastronomie-Betriebe haben dieses Jahr zusätzliche Ruhetage eingeführt oder ihr Angebot bzw. ihre Speisekarte zusammengestrichen, weil sie nicht genügend Mitarbeiter für die Saison gefunden haben. 44 Prozent der Wirte und 23 Prozent der Hoteliers sind auf Mitarbeitersuche, zeigt eine Mitgliederbefragung der Wirtschaftskammer. Fakten, die sich mit dem Thema Servicequalität so gut vertragen wie drei Wochen Dauerregen mit einem gelungenen Campingurlaub.
Bleibt die Frage, wo all jene geblieben sind, die bisher die Tourismuswirtschaft am Laufen gehalten haben.
Unter anderem zu Hause – und das ist oft nicht in Österreich. Viele haben in der Pandemie bzw. während der Lockdown-Zeiten in ihren Heimatländern sicherere Ganzjahresjobs gefunden und schlicht kein Interesse mehr, in Österreich einen Saisonjob anzunehmen. Dazu kommt, dass sich hierzulande die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand verabschieden. Und ihre Kinder und Kindeskinder sich bei der Frage „Geld oder Leben“ reihenweise für Letzteres entscheiden. Work-Life-Balance heißt dieses neuerdings ganz selbstverständlich gelebte Phänomen auf neudeutsch. In der Arbeitsrealität bedeutet das, dass Unternehmer immer mehr Teilzeitmitarbeiter einstellen (müssen). Schlicht, weil es kaum Bewerber für eine Vollzeitstelle gibt. Womit auch das Paradoxon erklärt ist, warum es aktuell trotz Rekordbeschäftigung (gezählt in Köpfen, nicht in Vollzeitäquivalenten) 30.000 offene Stellen im Tourismus gibt. Verschärfend kommt – quasi zum Drüberstreuen über die Misere – dazu, dass Hoteliers und Gastronomen immer mehr Mitarbeiter brauchen. Schlicht, weil die Gäste immer höhere Service-Ansprüche stellen.
So weit, so kompliziert. „Der Arbeitsmarkt ist ausgelutscht“, formuliert es ein Hotelier und Branchensprecher. Es seien schlicht keine neuen Mitarbeiter verfügbar. Ein Zustand, mit dem sich nicht nur die heimischen Gastgeber herumschlagen. Weil kroatische Touristiker im eigenen Land kein Personal finden, rekrutieren sie in Bosnien und im Kosovo. Türkische Gastgeber suchen Mitarbeiter in Aserbaidschan. Das Personalkarussell zieht immer weitere, absurdere Kreise. Langfristig kann es aber nicht die Lösung sein, immer mehr Mitarbeiter aus immer entfernteren Ländern anzulocken. Die Stellschrauben, an denen gedreht werden muss, sind vor Ort. Bei den Arbeitsbedingungen. Viele Unternehmer haben das längst erkannt und reagiert. Ins Krisengejammere müssen sie dank Stammpersonal nicht einstimmen.
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