Wie schützen wir uns vor Willkür?

Wie schützen wir uns vor Willkür?
Die Debatte um den Oster-Erlass weitete schlagartig die Perspektive: Warum sitzen wir seit drei Wochen allein herum?
Philipp Wilhelmer

Philipp Wilhelmer

Willkommen in Woche vier des Corona-Shutdowns. Bis Ende des ersten Monats der verordneten Vereinzelung stellen sich Grundsatzfragen des demokratischen Zusammenlebens: Was dürfen wir eigentlich? Und welche Grundrechte bleiben uns?

Das Land hat sich drei Wochen durchaus geordnet an den Hausarrest gehalten, Familienbesuche unterlassen und auch Freunde nicht besucht, um das Virus durch gemeinsames Zuhausebleiben auszurotten. Die Mantra-artigen „Es gibt nur vier Gründe, um das Haus zu verlassen“... der Bundesregierung wurden nicht hinterfragt. Bis das Gesundheitsministerium mit einem mehr als missglückten Oster-Erlass nachbesserte. Der sagte zweierlei: Wir dürfen Besuch bekommen, aber dafür darf die Polizei in jedem Haushalt Nachschau halten, ob nicht zu viele Personen anwesend sind. Gesetzestreue Bürger wurden handstreichartig mit Schwerverbrechern gleichgestellt.

Nach einem denkwürdigen Auftritt des zuständigen Spitzenbeamten Clemens Auer in der „ZiB2“, in der ihm nichts anderes übrig blieb, als sich für das Kuddelmuddel zu entschuldigen, gelobte das Gesundheitsministerium Besserung. Heute wird der Erlass nachgereicht. Verfassungskonform, hoffen die Staatsbürger.

Die Farce um den Oster-Erlass weitete schlagartig die Perspektive. Wenn es eine Regelung dafür braucht, wie viele Menschen wir zu den Feiertagen einladen dürfen: Warum sitzen wir dann eigentlich schon seit drei Wochen allein herum? Rechtssicherheit sieht anders aus. Wer die Debatten um die Frage verfolgte, ob man allein auf der Parkbank sitzen darf, ohne gestraft zu werden, war ohnehin schon misstrauisch. Wenn sich selbst die informiertesten Menschen nicht mehr auskennen: Wie schützen wir uns vor Willkür?

Wie kurz die Distanz von freiem Bürger zur elektronischen Zwangsüberwachung sein kann, demonstrierte dann der Vorstoß von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der den Österreichern verpflichtend vorschreiben wollte, die Corona-App des Roten Kreuzes zu installieren. Dort werden alle Bewegungen aufgezeichnet, um Kontakte mit Infizierten feststellen zu können. Sobotka wünschte nichts weniger als chinesische Verhältnisse in einer Light-Variante. Am Sonntag ruderte er zurück.

Die Maßnahmen der Regierung zur Abflachung der Infektionskurven waren entschlossen und soweit sich das beurteilen lässt, auch wirksam. Die Schneise, die diese durch unsere Bürgerrechte schlagen, darf aber nicht unbeachtet bleiben.

An den Hausverstand zu appellieren, ist schön und gut. Aber wenn keiner weiß, wofür er oder sie gestraft werden wird, ist das ein Zustand, der eines Rechtsstaates nicht angemessen ist. Und einer Demokratie schon gar nicht.

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