Nicht nur im U-Ausschuss haben die Schwarz-Türkisen alle Parlamentsparteien inklusive Koalitionspartner gegen sich. Eine Kanzlerpartei im Selbstverteidigungsmodus kann es sich kaum leisten, Unpopuläres zu wagen und damit neue Konfliktlinien zu schaffen. Ohnehin sind Nehammer & Co. derzeit heftig bemüht, alle einzubeziehen, koste es, was es wolle: zuletzt eine Milliarde Euro Steuergeld für die SPÖ-Zustimmung zur Impfpflicht. Ihr Preis war die „Impflotterie“. Was das überhaupt und speziell der SPÖ bringen soll? Rätselhaft. Und weil die ÖVP immer schon auf ihre Landeshauptleute Rücksicht nimmt, lässt man vor Landtagswahlen lieber die Finger von schwierigen Themen. Das war unter Sebastian Kurz nicht anders: Obwohl Thomas Stelzer ohnehin auf Distanz zu dessen Türkisen ging, verzögerten diese wegen der OÖ-Wahl im Herbst ihr Maßnahmenpaket gegen die sich damals aufbauende vierte Infektionswelle.
In spätestens einem Jahr (nach der Hofburg-Wahl) schreitet Niederösterreich zu den Urnen. Nicht der günstigste Zeitpunkt für ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Schließlich wird in den nächsten Monaten dank gestohlener Handydaten die Konversation aus dem inneren Machtzirkel des seit vielen Jahren mit NÖ-Schwarzen besetzten Innenministeriums breitgetreten. Und dazu noch Reformen? Lieber nicht. Jetzt bloß keine Demos gegen die „soziale Kälte“ provozieren.
Wahrscheinlich schaffen nur Sozialdemokraten einschneidende Sozialreformen – weil der gewerkschaftliche Proteststurm dann nur lau ist. Gerhard Schröder und nicht Angela Merkel hat Hartz IV beschlossen. In Schweden war es der Sozialdemokrat Göran Persson, der in den Neunzigerjahren den Staatshaushalt mit tief greifenden Einschnitten inklusive einer Pensionsreform sanierte. Tony Blair propagierte mit „New Labour“ den freien Markt. Die Sozialdemokraten Franz Vranitzky und Ferdinand Lacina mussten das Debakel der Verstaatlichten durch (Teil-)Privatisierung aufräumen.
Bei der heutigen SPÖ lässt sich allerdings weder ein klares Programm ausmachen (Kerns in manchen Bereichen nicht uninteressanter „Plan A“ ist schubladisiert), noch eine Festlegung auf die Spitzenkandidatin. Es wird Zeit, den Reformstau aufzulösen. Nur: Wer wagt das schon?
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