Wer leistbares Wohnen will, muss Mieter-Privilegien beseitigen

Martina Salomon

Martina Salomon

Wer sich für leistbares Wohnen in die Schlacht wirft, muss auch die Privilegien angreifen.

von Dr. Martina Salomon

über das Mietrecht.

Mietrechts-Privilegienritter dürfen sich freuen. Der Verfassungsgerichtshof hat vergangene Woche Anträge auf eine Überprüfung des Richtwertgesetzes abgelehnt. Damit bleibt eine unlogische Regelung bestehen: Während weltweit die Mieten in den Hauptstädten am höchsten sind, ist es in Österreich genau umgekehrt, zumindest im Altbau: Der Richtwert-Mietzins ist nur im Burgenland niedriger als in Wien (5,58 Euro pro Quadratmeter). In Vorarlberg beträgt er zum Beispiel 8,57 Euro, in der Steiermark 7,70 Euro.

Getoppt wird das nur noch durch die SPÖ, die für ihre Zentrale in nobelster Wiener Innenstadtlage 4,27 Euro pro Quadratmeter berappt. Nur zur Verdeutlichung: Ein Mieter einer 60-Quadratmeter-Wohnung im ersten Bezirk direkt hinter dem Burgtheater würde lediglich 256 Euro bezahlen. Vermieter ist übrigens die Stadt Wien, die damit großzügig auf Einnahmen verzichtet – quasi eine versteckte Parteiförderung. Selbst mit unserem verkorksten Mietrecht und einem Uralt-Vertrag müsste die Miete angepasst, also höher sein.

Streng reguliert

Dass die Grund- und Baukosten in Wien teurer sind als anderswo in Österreich, überzeugte die Höchstrichter nicht. Sie argumentierten pikanterweise, dass die Wiener Bevölkerung stärker auf erschwinglichen Wohnraum angewiesen sei, weil es in der Bundeshauptstadt eine niedrigere Eigentumsquote gibt. Warum das so ist? Weil jeder vierte Wiener in einer Wohnung der Kommune logiert – in den übrigen Bundesländern beträgt dieser Anteil nur rund drei Prozent. Die Wiener Stadtregierung hat die Bürger daran gewöhnt, dass sich die Politik um billiges Wohnen kümmert. Daher schufen sich die Bürger kaum Eigentum – selbst zu Zeiten, als Immobilienerwerb noch deutlich billiger war. Wer eine niedrige Altmiete hat, ist außerdem besser dran als ein Eigentümer, der für die Erneuerung von Fenstern oder der Therme selbst aufkommen muss.

Europaweit gibt es kaum einen strenger regulierten Markt als in Österreich. Das gesamte Mietrecht ist schwer reformbedürftig. Wenn die SPÖ beklagt, dass am privaten Wohnungsmarkt viel zu wenige unbefristete Verträge angeboten werden, so stimmt das. Aber bei so einem Vertrag verliert der Vermieter jede Verfügungsmöglichkeit über sein Eigentum. Absurderweise werden selbst gesetzlich vereinbarte Mieten nach politischer Opportunität vom Gesetzgeber nachträglich korrigiert, Erhöhungen einfach ausgesetzt.

Eigentumsfeindlich

Auch bei der letzten Steuerreform wurde rückwirkend in Investitionsentscheidungen eingegriffen und die Abschreibung für Abnutzung zum Nachteil von Haus- und Eigentumswohnungsbesitzern verändert. Gilt hier der Vertrauensgrundsatz nicht? Wegen der extrem niedrigen Zinsen setzen viele Bürger dennoch auf "Betongold". Doch ernsthafte Erträge sind nur noch mit Neubauten zu machen, die nicht so strikten Regeln unterliegen. Was Investoren dazu verlockt, alte (Gründerzeit-)Häuser abzureißen bzw. nicht mehr zu sanieren. Der Markt für Mieter ist zweigeteilt: hier die Privilegierten, dort jene, die auf den freien Markt angewiesen sind.

Wohnen wird wohl auch in diesem Wahlkampf eine Rolle spielen. Die Gerechtigkeits-Robin-Hoods werden für "leistbares Wohnen" in die Schlacht ziehen, ohne die Ungerechtigkeiten im System anzugreifen.

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