Wer fürchtet sich vor 0,07 € Ökosteuer?
Bernhard Gaul
20.09.21, 05:00Kohlendioxid (CO2) und damit klimaschädliche Substanzen werden ab kommendem Jahr besteuert, und die Aufregung könnte schon jetzt kaum größer sein. Verständlich, denn außer, dass Kohlendioxid einen Preis bekommen soll, hatten die türkis-grünen Koalitionsverhandler im Dezember 2019 nichts ausverhandelt. Also dürfen wir nun munter drauf los streiten, wie hoch die Bepreisung sein soll. Der kolportierte Startpreis von 25 Euro pro Tonne ist ein Hohn für alle Klimaschutzbemühungen, Benzin würde so um sieben Eurocent teurer werden.
Außerdem: Unklar ist, wie das Geld eingenommen werden soll (Steuer, Abgabe, Handelssystem) und wie die Einnahmen – Achtung Überraschung – wieder zu hundert Prozent an die Bürger (und Betriebe?) zurückgezahlt werden sollen.
Die Grünen präferieren eher das aktuelle Modell der Schweiz, bei dem jeder Bürger den gleichen Teil bei der Sozialversicherung gutgeschrieben bekommt.
Die Wirtschaftskammer, die mit ihrem Präsidenten ja am Verhandlungstisch neben Kanzler und Finanzminister auf ÖVP-Seite sitzt, will hingegen „zu gleichen Teilen Arbeitnehmer und Unternehmen“ entlasten. Es gibt vier Millionen Arbeitnehmer und 400.000 Unternehmer.
Dabei war es die ÖVP, die mit Josef Riegler schon in den 1980er-Jahren eine ökosoziale Steuerreform vorschlug. Riegler konnte sich damit aber weder beim Koalitionspartner SPÖ durchsetzen, noch in den eigenen Reihen.
Schräg ist aber auch das Verständnis der Grünen: Damit nur ja endlich irgendetwas beim Klimaschutz passiert, haben sie bisher alles geschluckt, was ihnen die ÖVP in der Regierung so hingeworfen hat. Ganz so, als wären EU- und UNO-Ziele zum Klimaschutz nicht Aufgabe jeder Regierung. Die CO2-Steuer ist auch nicht „revolutionär“, jedenfalls nicht auf internationaler Ebene. Schweizer, Dänen, Finnen, Franzosen, ja sogar die Deutschen haben sie längst.
Das Problem ist in Wahrheit größer. Es fehlen der gesellschaftliche und politische Konsens und das Verständnis, warum wir Klimaschutz machen müssen, warum wir unser Wirtschaftssystem entsprechend umbauen müssen. Fragen Sie bitte den Bauern Ihres Vertrauens, wie sich bei uns das Wetter und der Regen in den vergangenen vierzig Jahren verändert haben.
Und wenn sich ökologische Systeme durch den Klimawandel ändern, dann ist das für lange Zeit irreversibel. Wenn die Kipppunkte erst einmal erreicht sind, und das Klima kippt, die Vielfalt der Arten kippt, die Ozeane kippen, dann gibt es kein Zurück. Dann haben wir komplett veränderte Lebensgrundlagen für die Menschen, die unsere Kinder und Enkelkinder sind. Das versucht Ihnen UN-Generalsekretär Antonio Guterres jede Woche mit dramatischen Worten mitzuteilen. Es wird Zeit, dass wir ihm und allen Klimaforschern endlich zuhören.
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