Dass sich Gewessler dabei mit dem Rest des Landes anlegt, hat die gewiefte Sachpolitikerin wohl gewusst. Der Aufschrei aus roten und schwarzen Ländern ist groß, ebenso aus der Wirtschaft, der Industrie, den Arbeitnehmervertretern, dem ÖAMTC bis zu Anrainergemeinden, die unter dem Durchzugsverkehr leiden – alle sind gegen sie.
Dabei sollte man die Sache entspannt angehen. Natürlich kann man die Sinnhaftigkeit von Entscheidungen, die vor mehr als zehn Jahren getroffen worden sind, nochmals überprüfen. Die Idee vom „Ring um Wien“ ist erstmals 1989 von einem Wirtschaftsminister namens Wolfgang Schüssel ins Spiel gebracht worden, vor 32 Jahren also. Da kommt es auf drei weitere Monate auch nicht mehr an. Und natürlich kann es sein, dass moderne Mobilitätskonzepte den Verkehr auf bestehendem Straßenmaterial unterbringen. Man sollte der Revision der Entscheidungen also auch eine Chance geben.
Was Gewessler jedoch schuldig bleibt, ist das Gesamtkonzept samt dazugehöriger Kommunikation. Wer jahrzehntelange Planungen aufschnürt, sollte die regionalen Entscheidungsträger einbinden und die Ängste einer sich abgehängt fühlenden Bevölkerung ernst nehmen, statt klandestin untersuchen zu lassen. Wer aus einem Gesamtplan einzelne Dominosteine herausnimmt, muss wissen, dass etwa ein Ring um Wien zur Sackgasse wird, über die man bald böse Politikerwitze macht. Und wer derart gegen Koalitionspartner und Länder aufreibt, muss wissen, wie man ohne Gesichtsverlust wieder rauskommt. Denn bisher konnte sich Gewessler darauf ausreden, dass ihre Vorgänger die besagten Straßen zu verantworten haben. Nun müsste sie selbst – als grüne Umweltministerin – unpopulär wieder die Starttaste für die Straßenwalzen drücken. Denn auf einen Kuhhandel „Ich gebe euch die Straße, wenn ihr mir das 1-2-3-Ticket gebt“ werden sich die Landeshauptleute nicht einlassen.
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