Weniger Populismus: ein guter Vorsatz

Noch drei Wochen Wahlkampf - das ist eine Zumutung für die Kandidaten, wie auch für die Zuschauer.
Martina Salomon

Martina Salomon

Es ist der Eindruck eines medialen Overkills entstanden.

von Dr. Martina Salomon

über die Zwischenbilanz des Wahlkampfes.

Es gibt kein Entkommen: Auf jedem TV-Kanal, auf jeder Online-Seite wird man dieser Tage von Politikern bequasselt. Hilfe, müssen wir uns das, müssen es sich die Betroffenen wirklich antun? In Deutschland hingegen durfte sich Kanzlerin Angela Merkel nobel zurückhalten. Ein Riesenvorteil für die Amtsinhaberin – aber nicht unbedingt ein Vorbild. Österreich ist da zwar deutlich aufgeregter, aber auch deutlich demokratischer: Denn Kleinparteien dürfen gegen die Schwergewichte antreten, sogar das Publikum kommt zu Wort.

Angesichts amerikanischer Präsidenten – schon vor Trump –, bei deren Pressekonferenzen nur wenige ausgewählte Journalisten (vorher eingereichte) Fragen stellen dürfen, sollten wir diese Offenheit nicht gering schätzen. Auch der Eindruck, dass es ohnehin nur um Worthülsen und nie um Inhalte geht, trügt. Heuer wird wahrscheinlich mehr inhaltlich debattiert als sonst – was auch an einer besonders nervösen SPÖ liegt, die gerade mit einer Kaskade von späten Vorschlägen und Pressekonferenzen die ÖVP vor sich hertreiben und damit wieder Oberwasser gewinnen will.

Schweigen oder in jedes Mikrofon beißen?

Dennoch erzeugt dieser Wahlkampf das dumpfe Gefühl: Es ist zu viel, zu oberflächlich, zu uninteressant, manchmal auch zu aggressiv. Diese Woche zum Beispiel musste Christian Kern (auf zwei verschiedenen Sendern) zwei Mal gegen Matthias Strolz antreten. Der Overkill ist auch eine Folge der großen Medienvielfalt in Österreich. Zu Zeiten von Bruno Kreisky und Franz Vranitzky existierte nur ein Bruchteil der jetzigen Medienlandschaft (inklusive Online-Redaktionen und privaten TV-Stationen). Es gab auch noch keine Sozialen Medien, auf denen man jeden Pieps eines Volksvertreters mitkriegt. Könnte ein Spitzenpolitiker dem Druck standhalten und nicht in jedes Mikrofon "beißen"? Schwierig. Man denke nur an die Bezeichnung "Schweigekanzler" bei Wolfgang Schüssel (der Journalisten allerdings tatsächlich offensiv verachtete).

Es ist zu verlockend, am gemütlichen Stammtisch die Politik pauschal zu verdammen. Das ist ungerecht, denn in Wahrheit ist der Stress, der auf den Spitzenkandidaten lastet, enorm: Wer ist immer in jeder (Fernseh-)Diskussion buchstäblich "ausgeschlafen"? Wer verdaut all die Feindseligkeiten – vom politischem Gegner, den Medien und manch partei-eigenen Heckenschützen? Wer schafft es, die Fallgruben eines Wahlkampfs ohne Beulen zu überstehen? Und wer verzichtet schon gern monatelang auf ein ernst zu nehmendes Privatleben?

Beim KURIER-Gespräch am Freitag sagte ein sehr reflektierter Kanzler etwas Interessantes: Er wünsche sich ein Ende der "verrückten Populismus-Spirale, die zwischen Politik und Medien betrieben wird". Damit würden die wahren Probleme nicht gelöst. Das wolle er nach dem 15. Oktober ändern. Guter Vorsatz. Und schade, dass er noch bis vor wenigen Tagen selbst an der Populismus-Spirale gedreht hat. Wenn man den Kurs seiner Kampagne betrachtet – neuerdings entspannt statt aggressiv – ist die SPÖ immerhin schon ein bisschen weiser geworden.

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