Die Rede war solide, aber, sorry, nicht wirklich mutig, ja leider sogar ein wenig populistisch. Glaubt wirklich irgendwer, dass eine Regierung besser wird, wenn kein Minister mehr wenigstens eine kurze Sommerpause machen darf? Derzeit ist es für die Spitzenpolitik ja nicht einmal mehr opportun, sich bei Festspiel-Eröffnungen zu zeigen. Aber die Angst vor einem Foto bei einer Opernpremiere ist die vorauseilende Kapitulation vor der vermuteten Stammtischmeinung – und das Eingeständnis, dass man Kultur für ein verzichtbares Luxusgut hält.
Was also zeichnet einen Politiker aus, der von Boulevardmedien geliebt werden möchte? Er/Sie fährt mit dem Rad oder der U-Bahn (Foto davon auf Instagram), besitzt selbstverständlich keine Wertpapiere, wohnt höchstens im Schrebergarten, hält Atomkraft und Gentechnik für Teufelszeug, streichelt Hunde und isst Schnitzel. Er redet volkstümlich, leistet sich aber keinen patscherten Sager. Urlaub? Wenn, dann nur im eigenen Land.
Immerhin hat sich Van der Bellen klar gegen vorgezogene Nationalratswahlen ausgesprochen. Richtig so: Denn schon jetzt ist der Populismus aller Parteien unerträglich. Wäre der Bundespräsident ganz mutig gewesen, hätte er aber auch an die Bürger appelliert, die Erwartungen an den Staat herunterzuschrauben. Schließlich sind es die werktätigen Staatsbürger selbst, die die Gießkanne immer wieder befüllen müssen. Doch die Abgabenlast ist schon jetzt verrückt hoch – wobei immerhin gerade eine Steuerreform zu wirken beginnt. Das wird geflissentlich von allen übersehen, auch vom Staatsoberhaupt.
Mutig (für einen Grünen) wäre gewesen, hätte der Bundespräsident angesprochen, dass wir angesichts einer drohenden Rezession auch dringend einen Stopp illegaler Einwanderung brauchen, weil Sozial-, Justiz-, Bildungs-, und Gesundheitswesen jetzt schon damit heillos überfordert sind. Mutig wäre auch gewesen, die EU-Politik zu bitten, alles zu tun, damit der Angriffskrieg in der Ukraine nicht endlos prolongiert wird, um dramatischen Wohlstandsverlust und soziale Unruhen in Europa zu vermeiden. Es gibt derzeit zu viele martialische Töne und zu wenig stille Diplomatie.
„VdB“ hätte sich auch an die heimischen Parlamentsparteien wenden können mit dem Wunsch: Kriminalisiert angesichts der Gleichzeitigkeit mehrerer echter Krisen nicht jede Lächerlichkeit. Wechselt nicht ständig politisches Kleingeld, das schadet nämlich allen Parteien (und damit der Demokratie). Und wer eine Pause braucht, sollte sie nehmen. Niemand hat etwas von erschöpften Politikern.
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