Was jetzt zählt

Martina Salomon
Die Krise hat uns vor Augen geführt, dass ein fixer Job, echte Firmen, ein gutes Gesundheitssystem nicht selbstverständlich sind.
Martina Salomon

Martina Salomon

Die Arbeitslosigkeit sinkt Gott sei Dank bereits und 2021 soll die Wirtschaft wieder wachsen. Aber machen wir uns nichts vor: Der "schwarze Schwan" Corona hat alles verändert. Auch die Wertigkeiten. So ist es nicht mehr so selbstverständlich wie früher, einen fixen Arbeitsplatz zu haben. Man darf gespannt sein, ob dies auch die Bereitschaft erhöhen wird, einen Job anzunehmen. Vor der Krise haben Firmen händeringend nicht nur hoch spezialisierte Techniker, sondern Kellner, Bäcker, Abwäscher, Erntehelfer (beiderlei Geschlechts) gesucht und oft nur im Ausland gefunden. Auch für den Bau und im Pflegebereich müssen massenhaft Arbeitnehmer aus anderen Ländern geholt werden. Bleibt das so, dann muss die Politik den Systemfehler suchen und beheben, auch wenn das unpopuläre Maßnahmen bedeutet. Der Zeitpunkt für die Einführung einer bezahlten Arbeitszeitverkürzung, wie sie SPÖ, ÖGB und Teile der Grünen (vor allem die Wahlkämpfer in Wien) fordern, könnte jedenfalls kaum schlechter sein. Das weiß auch Burgenlands roter Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der hier seiner eigenen Parteichefin in den Rücken fiel. Man kann ihm Populismus vorwerfen, aber nicht einen Mangel an politischem Gespür.

Zu den neuen Wertigkeiten gehört auch, wieder echte Firmen zu schätzen: die Buchhändlerin, das Reisebüro, der Fleischhauer ums Eck, eine Bank mit Filialen und Mitarbeitern, die beraten können und kein virtueller Dienstleister mit einem fiktiven Milliardenwert an der Börse (Stichwort Wirecard). Auch echter Journalismus aus echten Medienhäusern erfährt gerade eine Renaissance. Geschäftsführungen aller Branchen wiederum haben gelernt, dass Homeoffice nicht der Hort des Müßiggangs ist. Und der ganzen Nation wurde der digitale Rückstand bewusst – was bei Institutionen wie dem Arbeitsmarktservice in der Krise quasi Harakiri war.

Das heimische Gesundheitssystem hat sich bewährt. Lobeshymnen darauf kann man aber auch nicht singen. Nach wie vor muss man bei amtlichen Stellen viel zu lang auf Corona-Testergebnisse warten. Vor lauter Virusangst und mangelnder Schutzausrüstung wurden im Frühjahr Gesundheitseinrichtungen leer gefegt, Personal auf Kurzarbeit geschickt, Arztpraxen geschlossen und Menschen mit anderen Erkrankungen unterbehandelt.

Wir haben in den vergangenen Monaten außerdem den Wert des spießigen Notgroschens bitter gelernt – in Firmen, in Familien, im Staat. Man darf daher auch gespannt sein, wie das große EU-Finanzpaket für den "Wiederaufbau" ausschauen wird. Corona hat die satte Selbstgewissheit zerstört, dass wir unser Leben weiterhin auf – im internationalen Vergleich – so hohem Niveau führen können. Hoffentlich lassen sich daraus auch positive Lehren ziehen.

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