Weder Kottan noch coole Fernseh-Helden

Polizeiarbeit wird anspruchsvoller und gefährlicher: Was man davon erwarten darf – und was nicht.
Martina Salomon

Martina Salomon

In Österreich glaubt man ja gerne, jedes Problem mit gutem Zureden und Sozialarbeit lösen zu können.

von Dr. Martina Salomon

über den Polizistenberuf

Heute, Samstag, wird der erst 23-jährige, von einem Supermarkt-Räuber erschossene Kärntner Polizist begraben. Welch schreckliche Tragödie für die Familie – und ein Anlass, über den Polizeiberuf nachzudenken. In den Komfortzonen, in denen es sich die Intellektuellen des Landes eingerichtet haben, neigt man ja dazu, Polizisten für wahlweise brutal, vertrottelt oder beides zu halten. "Kottan" ist da noch die sympathischste Variante davon. Nur in Serien wie "Tatort" oder " CSI" dürfen Polizisten wirklich cool sein. Von der Praxis eines Streifenpolizisten ist das aber genauso weit entfernt, wie "Greys Anatomy" von der momentan besonders unlustigen Wiener Spitalsrealität.

Polizisten (oft auch Lehrer und Ärzte) sind meist als erste mit aufkeimenden Problemen der Gesellschaft konfrontiert – Heldentum ist da selten angebracht. Dafür ausgeglichenes Temperament und Autorität – niemand braucht Polizisten, die davonlaufen oder auszucken und Bürger über den Haufen schießen, wie das in den USA leider schockierend häufig geschieht. Im Juni starben wieder zwei Afroamerikaner durch Polizeikugeln, dokumentiert auf Handy-Videos. Am Donnerstag erschoss ein Heckenschütze in Dallas fünf Polizisten bei einer friedlichen Demo gegen Polizeigewalt. Der Schrecken über diese Eskalation sitzt tief. Dennoch wird er im waffenverliebten Amerika kaum ein Umdenken auslösen.

Zögern, um nicht am Pranger zu stehen

Österreich war im Vergleich dazu bisher fast eine Insel der Seligen. Aber die Gesellschaft wird aggressiver, die Zahl verletzter Polizisten steigt. Bei der Grenzsicherung wiederum überließ eine völlig zerstrittene Politik dem Heer und der Polizei die gesamte Verantwortung. Sie haben das gut gemeistert – allerdings ließ man viele Flüchtlinge einfach ungehindert ziehen. Täuscht der Eindruck oder wird hierzulande prinzipiell mit einem Eingreifen eher gezögert, um nicht am medialen Pranger zu stehen? In Europa, speziell in Österreich, glaubt man ja gerne, jedes Problem mit gutem Zureden und Sozialarbeit lösen zu können. Entsprechende Einrichtungen sprießen wie die Schwammerln aus dem Boden und werden nie hinterfragt. Die Polizeiarbeit schon. Vielleicht ein Grund, dass sich die Exekutive so gern auf penible Verkehrsüberwachung konzentriert. Das bringt schnelles Geld und ist einfacher, als einen aggressiven Psychopathen aufzugreifen, wie jenen am Wiener Brunnenmarkt. Wobei die Polizei hier korrekt gehandelt, aber die Justiz versagt hat.

Zumindest wird das Polizeipersonal jetzt aufgestockt. (Die größte Hürde bei der Aufnahme Junger ist übrigens der Rechtschreibtest. Polizisten müssen ja nicht nur schießen, sondern auch Protokolle schreiben können.) Nach Bundesländer-Vorbild wird außerdem in Wien eine Zusammenarbeit mit ausgewählten Bürgern erfolgen. Was deutlich besser ist, als selbst ernannte (Hilfs-)Sheriffs und massive Selbstbewaffnung, weil die Bürger der Polizei nicht mehr trauen.

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