Warum wir im Rechnungshof jemand Unbequemen brauchen

Martina Salomon

Martina Salomon

Angesichts der Reformresistenz der Regierung sollte im Rechnungshof jemand mit Donnerkeil sitzen.

von Dr. Martina Salomon

über den Rechnungshofpräsidenten

Wahrscheinlich ist eine große Koalition wie eine mittelgute Ehe: Man piesackt einander im Alltäglichen und geht um des lieben Friedens willen faule Kompromisse ein. So geschehen bei der Kür des Rechnungshofpräsidenten am Donnerstag. Zweifellos ist Margit Kraker kompetent und integer. Aber angesichts der Reformresistenz der Regierung sollte im obersten Prüforgan der Republik jemand mit einem Donnerkeil sitzen: unerschrocken, unbequem, unabhängig. Gerhard Steger hätte diese Rolle vielleicht ausgefüllt. Aber den Schwarzen war er zu rot und zu unberechenbar. Die Roten wiederum wollten keinen schwarz-blauen Triumph ermöglichen, daher verweigerten sie der Zweitbesten, Helga Berger, die Unterstützung und verkauften das sogar noch als Erfolg. Das nennt sich dann, äh, "New Deal"?

Skandalöse Pensionen

Inhaltlich haben allein die vergangenen Tage gezeigt, wie notwendig ein starker Rechnungshof wäre. Beispiel Pensionen: Dass die Wiener Stadtwerke demnächst Hunderte Mitarbeiter ab 55 Jahren ohne Abschläge in den Ruhestand schicken, ist ein Skandal. Und das vor dem Hintergrund, dass Länder wie Wien die Bundesbeamtenpensionsreform erst Jahrzehnte später vollziehen – was übrigens der Rechnungshof seit Jahren kritisiert. Das schlägt auch mit überhöhten Strompreisen für Kunden zu Buche, weil mit den Pensionsrückstellungen ein schwerer Klotz am Bein der Wien Energie hängt.

Im Pensionsrecht liegen überhaupt zahllose Hunde begraben. Oder kann irgendjemand schlüssig erklären, warum frühpensionierte Beamte keine Ruhensbestimmungen haben, ASVG-Angestellte aber schon? Und natürlich braucht es eine "Pensionsautomatik" – steigende Lebenserwartung bedingt längeres Arbeiten.

Beispiel Bildung: Die OECD hat Österreich am Donnerstag wieder bescheinigt, was der Rechnungshof schon lange weiß: Das Schulsystem ist gut ausgestattet, aber ineffizient, und es fehlt an Ganztagsschulen mit verschränktem Unterricht. In den Firmen stellen sich Lehrlinge vor, die nicht lesen und schreiben können. Absolventen der überbetrieblichen Ausbildung seien, so schreibt ein Unternehmer dem KURIER, "maximal für Hilfsarbeitertätigkeiten zu gebrauchen, falls sie die Hürde des frühen Aufstehens schaffen". Das alles wächst sich zu einem der größten Standortprobleme aus.

Generation AMS

Beispiel Bürokratie: Wenn Firmeneröffnungen oder Wohnneubau und -sanierungen von der Verwaltung behindert statt gefördert werden, dann würgt man Gründergeist und Investitionen mutwillig ab. Ein ungerechtes, undurchsichtiges Mietrecht verhindert einen vernünftigen Wohnungsmarkt.

Beispiel Arbeitslosigkeit: Der Rechnungshof hat schon lange die mangelnden Arbeitsanreize am Mindestsicherungssystem kritisiert. Mittlerweile haben wir eine "Generation AMS" herangezogen, die nichts mehr dabei findet, ein Leben lang vom Staat abhängig zu sein.

Josef Moser war ein respektabler Präsident, wirkliche Veränderungen anzustoßen schaffte er aber nicht. Dafür war er vielleicht dann doch zu leise, zu freundlich und zu nobel. Eines ist klar: Noch nie hätten wir dringender eine freche, gewichtige Person an der Spitze des Rechnungshofs gebraucht.

Kommentare