Wahl-Freiheit
Auch wenn die ÖH nicht abgeschafft werden wird – mehr Stimmgewicht täte ihr gut.
Es riecht nach Kotelett und Würstel, die Stimmung ist ausgelassen. Im Innenhof der TU Wien lädt die VSSTÖ zur munteren Grillage, während in der ersten Etage das Buch-Projekt "Hochschulen im Nationalsozialismus" der Österreichischen Hochschülerschaft präsentiert wird. Es ist Montag, ein Tag vor der ÖH-Wahl 2013.
Die Studentenvertreter grillen und feiern um die Wette, ließen Ende April Luftballons mit dem Slogan "Wirkt schwer. Ist leicht" steigen, um möglichst viele Studierende zum Urnengang zu bewegen. Der dürfte für viele völlig unattraktiv sein: Die Wahlbeteiligung lag 2011 bei 28 Prozent, 2009 bei 25 Prozent. Einige Oppositionelle erklären es sich mit der Ideologieversessenheit der jetzigen ÖH-Bundesvertretung, andere vermuten die zunehmende Verschulung der Universitäten. Und das lähmende Gefühl, als Studierende in der (Hochschul-) Politik sowieso zuwenig mitreden zu können - das kennen auch andere Bevölkerungsgruppen.
Manche dürfen künftig - unter anderem wegen der niedrigen Wahlbeteiligung - gar nicht mehr mitreden: In Großbritannien wird die größte Studentenschaft Europas, die University of London Union, jetzt abgeschafft. 120.000 Studierende gehören ihr automatisch an. Die Beteiligung an den ULU-Wahlen lag zuletzt dennoch bei nur zwei Prozent.
Auch wenn die ÖH nicht abgeschafft werden wird – mehr Stimmgewicht täte ihr gut. Hier sind die Studierenden am Zug. Im Blick haben sollte man: Es gibt Menschen, die keine Wahl haben. Die, die wieder eine haben, wissen sie wahrlich zu schätzen: Nach dem Schrecken des Nationalsozialismus, bei den ersten ÖH-Wahlen am 19. November 1946, gaben 80 Prozent der Studierenden ihre Stimmen ab. Sie nutzten stolz ihr Recht zur Mitbestimmung. Ganz ohne Grill-Anfütterung.
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