Vurschrift is Vurschrift

CORONAVIRUS: WIEN - KONTROLLMASSNAHMEN DER POLIZEI AM DONAUKANAL
Die Regierung setzt in ihrer Krisenkommunikation auf extrem simple Botschaften. Nur für die Zeit danach gibt es keine.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Können Sie auch schon mitsprechen, was bei den Pressekonferenzen von KKAN (Kurz, Kogler, Anschober, Nehammer) gesagt wird? Zum Beispiel: „Es gibt nur vier Gründe, das Haus zu verlassen. Erstens …“ Angeblich finden über Skype bereits Lesungen von Abschriften statt, noch angeblicher wollen alle wegen des erhofften Schlussapplauses Kurz oder Anschober sein (und niemand Kogler und Nehammer).

Oder der Satz des Kanzlers: „Koste es, was es wolle.“ Der hat – ebenso wie der Ausruf „Ruhe – so scheen is des net“ bei den ersten Balkonkonzerten – Potenzial, die Krise zu überleben und auf einer Wand im Wien Museum, das gerade Memorabilien sammelt, zu landen.

Ja, man hört immer die gleichen Botschaften, die Krisenkommunikation läuft sehr simpel ab. Das mag für geübte Zuhörer ermüdend sein, ist aber Erfolg versprechend: Nur wenn wirklich jeder kapiert, was (nicht) zu tun ist, besteht die Chance, den Status quo so rasch wie möglich zu beenden. Vurschrift is Vurschrift – dieser bereits zu einer TV-Sendung gewordene Ausdruck österreichischer Autoritätsgläubigkeit war vielleicht noch nie so relevant wie heute.

Dennoch stellt sich die Frage, ob die Österreicher tatsächlich so obrigkeitstreu und sogar unterwürfig sind, wie man ihnen oft nachsagt. Ob sie zwar murren, wenn man ihnen etwas diktiert, aber nicht rebellieren? Ob sie um 7.40 Uhr vor dem Baumarkt braver Schlange stehen als andere? Vermutlich ja. Zumindest solange man ihnen den Sinn der Vorschrift glaubhaft vermittelt.

Genau das macht die Regierung nunmehr schon seit einiger Zeit raffiniert – zum eigenen Nutzen (und damit ausnahmsweise auch zu jenem aller). Wenn auch mit einer oft überzogenen autoritären Aufladung im Unterton, bis hin zu flapsigen Kommentaren zur Verfassung, die eben noch als Inbegriff der Schönheit galt.

Langsam wird es jedoch Zeit für andere Inszenierungen, für Ausblicke, wie es nach dem Corona-Wahnsinn weitergehen könnte. Krise ist gut für Politiker, die eine verunsicherte Bevölkerung hinter sich versammeln wollen, gut für Stimmmaximierung und auch für die Einschaltquote. Aber wo bleibt die Exit-Strategie? Wie kommen wir wieder raus aus der Nummer, bei der uns jeden Tag ein Regierungsmitglied die Welt erklärt? Wie lange noch gibt es den Instant-Lunch aus dem Kanzleramt? Wann beginnen wir an das größere Ganze zu denken? Es verlangt ja niemand von KKAN eine Initiative für den Weltfrieden, wie sie von Frankreichs Präsident Macron gesetzt wurde.

In Österreich drehte sich zuletzt alles um die Aufrechterhaltung des Gesundheits- und Sozialsystems. Dass das geschafft wurde, wird international bewundert. Aber ein bisserl Zukunft darf’s jetzt schon sein. Es gibt nämlich eigentlich weit mehr als vier Gründe, das Haus zu verlassen.

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