Vorhang zu und alle Fragen offen
Der Autor dieser Zeilen ist kein Fan des Opernballes und hat das – auch an dieser Stelle – schon mehrfach geäußert. Die Staatsoper ist dazu da, Opern- und Ballettaufführungen auf höchstem Niveau zu realisieren – und es ist eine Freude, eine erstklassige „Elektra“-Vorstellung mit dem fabelhaften jungen Dirigenten Alexander Soddy (wie zuletzt am Dienstag) zu erleben, also zu sehen, wie die Bühnenkunst in Österreich dem Coronavirus trotzt.
Bei aller Skepsis gegenüber dem Staatsgewalze besteht aber nach der Absage desselben kein Grund für Zynismus. Es ist wirklich traurig, dass der Opernball 2021 nicht stattfindet. Weil man neugierig war, wie er sich unter dem neuen Staatsoperndirektor Bogdan Roščić verändern würde; weil der Opernball – und sei es auch nur als Fernsehevent – zum gesellschaftlichen Leben in der Narrenzeit dazugehört; weil er generell als Symbol für den Fasching steht und seine Nichtaustragung auch bedeutet: Schluss mit lustig; weil er zu jenen vordergründigen Belanglosigkeiten zählt, die man erst vermisst, wenn es sie nicht mehr gibt; weil er der Oper jedes Jahr einen schönen Reingewinn und der partizipierenden Wirtschaft einen hohen Umsatz beschert hat; weil er erst in viereinhalb Monaten stattgefunden hätte, die nunmehrige Absage also das Eingeständnis mit sich bringt, dass uns das depperte Virus tatsächlich noch ziemlich lange Restriktionen bescheren wird; weil, weil, weil …
Man darf davon ausgehen, dass es sich die Regierung mit diesem Schritt nicht leicht gemacht hat. Und eine eingeschränkte Version wäre definitiv „ein ärmliches Signal“ (Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer) gewesen.
Insgesamt sind wir aber durch den nunmehrigen Nicht-Ball endgültig an einem Punkt angelangt, an dem wir auch beginnen sollten, gesellschaftliche Werte neu zu definieren. Immerhin können wir davon ausgehen, dass es noch dauert bis zu einer zuverlässigen Impfung und zur Immunisierung zumindest der Risikogruppen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass wir mit der Bedrohung vorerst leben müssen; und dass uns der rein mathematische Zugang (wie viele Neuinfektionen pro Tag bei wie vielen Testungen) nur bedingt weiterbringt, sondern dass wir auch um psychologische und sozialhygienische Fragen nicht herumkommen. Soll heißen: Wir müssen uns Gedanken machen, wie essenziell etwa der Besuch eines Fußballspiels ist; oder eines Wirtshauses nach 22 Uhr. Wie viel Spaßbefreiung erträgt eine Gesellschaft? Und für wie lange? Die Antworten werden bei jedem anders ausfallen, die Fragen aber werden täglich relevanter.
Was das Thema Kunst und Kultur betrifft, hat Ihr Kommentator jedenfalls eine klare Haltung: Sie sind ein Grundnahrungsmittel und unverzichtbar.
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