Von Liverpool zur Ligareform

An der Anfield Road hatte ich Gänsehaut. Das Ligaformat bereitet mir Kopfweh. Auch wenn die Reform Pflicht ist.
Paul Scharner

Paul Scharner

In Österreich wäre ich trotz der Einwände von Ebenbauer immer noch für eine 16er-Liga

von Paul Scharner

über die Liga-Reform

Ich habe oft in Liverpool gespielt. Aber so eine Stimmung wie Donnerstagnacht durfte ich an der Anfield Road als Spieler nie erleben. Auf der Tribüne bekam ich beim 3:0 von Liverpool gegen Villarreal Gänsehaut.

Nicht nur der Einzug in das Finale der Europa League, sondern auch die Energie im Stadion ist ein Verdienst von Jürgen Klopp. Der Trainer hat es mit seiner mitreißenden Art geschafft, dass in Liverpool wieder – wie früher – magische Nächte gefeiert werden. Sportlich ist vor allem das enorme Tempo aufgefallen. So wie in den goldenen Zeiten der Premier League (2006–2009) hat ein englischer Klub den Gegner im eigenen Stadion mit dem Tempo überfordert.

Diese Bereitschaft zu jedem Sprint, zum Bemühen, immer schnell zu spielen, wünsche ich mir auch für Österreich. Die Leute wollen etwas geboten bekommen. Wenn sie spüren, dass du alles gibst und Tempo machst, kommen sie auch ins Stadion. Diese Erkenntnis muss bei den Spielern und Trainern in die Köpfe. Die Jungen sollen sich die Entwicklung der Teamspieler hin zu Führungsfiguren dabei als Vorbild nehmen. Das ist ihre Verpflichtung und wäre wichtiger als jede Liga-Reform. Dass in Österreich durch das KURIER-Interview von Ligavorstand Ebenbauer Dynamik in die verzwickte Situation gekommen ist, begrüße ich natürlich. Eine Veränderung ist unumgänglich, wenn Verbesserung das Ziel ist. Nur der Weg erscheint mir noch unklar.

Beispiel Ungarn

Eindeutige Ergebnisse brachte mir mein Besuch in Ungarn. Unser Nachbarland und EM-Gegner hat die Ligareform schon hinter sich. Von 16 Klubs wurde auf 12 reduziert, es gibt drei Durchgänge. Am Ende werden die besseren Teams mit einem Heimspiel mehr belohnt. Da Fußball in Ungarn mittlerweile Staatsangelegenheit ist, konnte die Reform rasch durchgezogen werden. Das Besondere dabei: Mitbestimmt hat sie der Teamchef! Der Deutsche Bernd Storck wurde als Experte beigezogen, weil er das Ziel hat, möglichst viele Spieler aus der heimischen Liga einzuberufen. Nur eine Handvoll Teamspieler reist aus ausländischen Ligen an, die Qualifikation für die EM ist trotzdem gelungen.

In Österreich wäre ich trotz der Einwände von Ebenbauer immer noch für eine 16er-Liga. 30 Runden wären die einfachste und logischere Lösung als ein Play-off. Wenn der Glaube an 16 echte Profi-Klubs in Österreich nicht da ist, wären mir 14 Vereine noch lieber als nur 12.

Entscheidend ist jedenfalls, dass die Reform bis runter in den Amateurfußball durchgezogen wird. Es kann nicht sein, dass Kicker im Amateurbereich mehr verdienen als Profis. Da sind schwarze Schafe am Werk (Stichwort "schwarz zahlen"), gegen die beherzt vorgegangen werden muss. Aber hier habe ich meine Zweifel. Weil die österreichischen Strukturen so aufgebaut sind, dass für die Funktionäre am Ende die eigene Wiederwahl doch wichtiger ist als ein neues Konzept.

paul.scharner@kurier.at

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