Unsere zähe Energiewende

Russian President Vladimir Putin attends a meeting in Moscow
Die Fehler der Vergangenheit müssen wir jetzt teuer bezahlen. Schnelle Lösungen gibt’s nicht – zu tun ist mehr als genug
Bernhard Gaul

Bernhard Gaul

Wladimir Putins  Angriffskrieg hat uns notgedrungen dazu gebracht, über unser Energiesystem nachzudenken.

Welche Schritte müssen wir in Europa und Österreich setzen, wenn das inzwischen nicht mehr Undenkbare passiert und Russland seine Energielieferungen stoppt? Die Situation ist dramatisch. Die Abhängigkeit Österreichs vom Gas aus Russland – fast 80 Prozent kommen von dort – kann nur langsam verringert werden, das ist die erste Erkenntnis, wie sich beim Trip von Kanzler Karl Nehammer und der grünen Klimaministerin Leonore Gewessler nach Katar und Abu Dhabi zeigte. Die zweite Erkenntnis: Unser Strompreis ist direkt abhängig vom Gaspreis, weil die Regelung („merit order“) besagt, dass das teuerste Kraftwerk den Strompreis bestimmt. Und teuer sind derzeit vor allem die Gaskraftwerke.

Würde der Kreml den Gashahn abdrehen (und damit auf Milliardenzahlungen aus dem Westen verzichten), haben wir nur mehr für wenige Wochen Gas. Etwa ein Drittel des Erdgases verbrauchen 900.000 Haushalte, ein Drittel benötigt die Industrie, ein Drittel wird für die Stromproduktion verbrannt. Bei einem Gas-Lieferstopp würden die Gaskraftwerke zuerst abgedreht, im zweiten Schritt die Industrie. Und dann müssen wir hoffen, dass es eine europäische Solidarität gibt, diese hält und wir Gas aus dem europäischen Netz bekommen.

Wir müssen jetzt die   Verfehlungen der vergangenen Jahrzehnte  teuer bezahlen, wir haben eine rein fossile Inflation. Das neue Gesetz zur Gasbevorratung ist nur ein Notnagel. 40 Milliarden Euro wird allein die Energiewende im Strombereich kosten. Viel Geld, wenn man bedenkt, dass unsere fossilen Energieimporte jährlich rund 10 Milliarden kosten. Doch der Bau von Windkraft- und PV-Anlagen sollte  der einfachste Teil der Energiewende sein. Dann erst kommt die  Mobilitätswende, schließlich kann in einem klimaneutralen Österreich kein Verbrennerauto mehr fahren. In der Industrie zeichnet sich derzeit noch kein Ersatz für Erdgas ab. Eine Wasserstoffstrategie haben wir nicht,   das  Projekt „H2EU+Store“ wollte Wasserstoff für Österreich in der Westukraine erzeugen. Dort, wo jetzt Bomben fallen.

Was es in dieser Notlage braucht, ist ein nationaler Kraftakt,  für den Erneuerbaren-Ausbau wie für eine gigantische Sanierungsoffensive und Tausende Energieberater mehr, die das riesige Energiesparpotenzial rasch heben. Jede eingesparte  Kilowattstunde Gas hilft jetzt.

Unfassbar ist nur, dass Österreich  nicht nur kein Klimaschutzgesetz (Klimaneutralität 2040) und auch kein Erneuerbare-Wärmegesetz (raus aus Öl und Gas), sondern auch kein Energieeffizienzgesetz (Energie sparen) hat. Jede weitere Verzögerung der Koalitionsparteien ist inakzeptabel.

Kommentare