Die Versuchung, ein paar Likes, aufmunternde oder gar bewundernde Reaktionen zu bekommen, ist größer als die rationale Annäherung an den Umstand, dass wir uns als Gesellschaft in Teufels Küche begeben. Es sei denn …
… es sei denn, es geht um digitale Lösungen, die uns allen in der Krise helfen können. Die Zettelwirtschaft in den Wiener Wirtshäusern könnte man sich samt und sonders ersparen, wenn eine ausreichend hohe Zahl von Handynutzern die „Stopp Corona“-App des Roten Kreuzes installiert hätte. Die gleicht automatisch und völlig anonymisiert ab, ob ihr Nutzer jemandem zu nahe gekommen ist, der oder die Corona hat. Vorausgesetzt, das Gegenüber hat dieses Programm ebenfalls installiert.
An dieser Stelle hakt es im digitalen Zusammenleben weiterhin. Kaum jemand denkt daran, sich diese App zu installieren, die nicht mehr tut, als anonym zu verständigen, dass man Kontakt mit einem Corona-Infizierten hatte. Stattdessen halten es die Wiener Kaffeehausgeher für willkommenen Fortschritt, wenn sie statt eines handschriftlichen Zettels
die Möglichkeit bekommen, digital Name und Telefonnummer zu hinterlassen. Die Anonymität ist hier nicht gewährleistet.
Die Anbieter solcher Programme drängen erfolgreich auf den Markt des Contact Tracings (Seite 4), es soll auch eine zentrale Sammelstelle geben. Dem Datenschutz ist damit nicht gerade geholfen, wie sich in Deutschland zeigte. Dort wurde eine ähnliche Stelle gehackt, und die Daten Tausender Bürger schwirrten im Netz herum.
Wir leben offenkundig in weltfremden Zeiten, wenn ausgerechnet die einzige Applikation, die den Datenschutz wirklich ernst nimmt und anonymisiert darüber informiert, ob man sich lieber in Quarantäne begeben sollte oder nicht, abgelehnt wird. In allen anderen digitalen Lebensfragen sind wir dafür viel zu offenherzig.
Die Corona-Pandemie hat in den vergangenen Monaten einen gewaltigen Digitalisierungsschub angestoßen. Teleworking und Videokonferenzen sind gelernter Teil unseres neuen Alltags. Erwerben wir doch jetzt gemeinsam auch noch jene digitale Kompetenz, um Sinnvolles von Sinnentleertem unterscheiden zu können.
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