Und wie wär‘s mit konstruktiver Politik?

„Constructive journalism“ macht Vorschläge zur Lösung von Problemen. Das sollte auch die Politik tun.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

„Journalismus ist ein Filter zwischen der Realität und der öffentlichen Betrachtung dieser“, sagt ein dänischer Journalist, der für „constructive journalism“ wirbt. Dabei sollten Journalisten auch positive Lösungen aufzeigen. Das klingt gut, aber an der Realität kommen wir nicht vorbei, und die wird von der Politik vorgegeben. Und zwar oft nicht durch Fakten, sondern von einer Schein-Realität, die ganze Heere von PR-Beratern zu erzeugen versuchen, mit Fotos, Videos und Geschichten, die ein Image aufbauen sollen.

Nehmen wir das BVT. Da wollte uns der Innenminister vormachen, dass eine Razzia im Amt für Terrorismusbekämpfung notwendig war, um Korruption zu bekämpfen. Die Realität ist: Das Ministerium wollte mehr über Beamte wissen, die Rechtsextreme untersuchten.

Oder die schamlose Überziehung der Wahlkampfkosten, vor allem durch ÖVP und FPÖ, die dann auch noch zynisch kommentiert wird: Notwendige Ankurbelung der Wirtschaft soll das gewesen sein. Da kann man von der Politik konkrete Vorschläge erwarten, wie das künftig besser kontrolliert und auch sanktioniert wird.

Oder Schulpolitik: Bildungsminister Faßmann hat in dieser Woche bei einem KURIER-Gespräch neuerlich seine Bedenken angemeldet, Deutsch als Pausensprache verpflichtend einzuführen. Das Thema ist wichtig und sollte konstruktiv diskutiert werden. Genau das findet absichtlich nicht statt, vielmehr macht die FPÖ mit einer Kampagne im Internet Druck auf den Minister.

Auch der UNO-Migrationspakt wäre eine Gelegenheit gewesen, ein heikles Thema konstruktiv aufzugreifen. Es ist illusorisch, durch ein unverbindliches UNO-Papier die Herausforderung der Migration in den Griff zu bekommen, aber die Regierung hat lange mitverhandelt. Mit der angeblichen Einschränkung unserer Souveränität zu argumentieren wäre nur dann glaubwürdig gewesen, wenn man das von Anfang an gesagt hätte.

Über autoritäre Tendenzen reden

Ein besonders schlichter PR-Schmäh war der bemühte Satz der Regierungsspitze, bei der Sozialversicherung würde aus einer „Funktionärsmilliarde eine Patientenmilliarde“. Die Funktionäre bekommen aber nur rund 5 Millionen. So unkonstruktiv glaubt man die Menschen veräppeln zu können.

Einer der großen Fehler der vergangenen Jahre war es, Kompromisse als Schwächezeichen hinzustellen. Daran sind durchaus Medien mitschuld, die immer Verlierer gesucht haben. Die Demokratie lebt aber davon, dass unterschiedliche Interessen ausgeglichen werden. Und zwar öffentlich.

Das ist im autoritären Staat anders. Da nimmt die Führung das Parlament nicht ernst, Gesetze werden schnell durchgepeitscht, da kommen PR-Sprüche, die oft Minderheiten ausgrenzen oder als Schuldige darstellen. Lösungskompetenz wird vorgetäuscht. Selbst der konstruktivste Journalismus kann das nicht ändern. Umso mehr muss über solche Tendenzen offen geredet werden.

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