Türkei-Wahl brachte notwendige Korrektur im Polit-System
Das war eine ordentliche Abreibung für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Seine AKP blieb bei den Kommunalwahlen zwar landesweit mit rund 45 Prozent klar stimmenstärkste Partei, verlor aber die größten Städte: Ankara ging ebenso an die Opposition wie offenbar auch Istanbul. Wobei der Ausgang in der Bosporus-Metropole, wo jeder fünfte türkische Staatsbürger wohnt, einer Sensation gleichkommt. Hier trat für die konservativ-islamische AKP immerhin der frühere Premier Binali Yildirim an gegen einen Nobody der kemalistisch-nationalen CHP – und unterlag. Das ist doppelt bitter für Erdoğan, der den kommunalen Urnengang de facto als Votum über seine Präsidentschaft anlegte, denn in Istanbul wurde er groß, auch politisch, 1994 errang er das Bürgermeisteramt. Diese Korrektur im System war dringend notwendig.
Ein Hauptgrund dafür, dass sich vor allem in den urbanen Zentren die Menschen von der AKP abwenden, ist die kränkelnde Wirtschaft, bei steigender Armut und explodierenden (Lebensmittel-)Preisen. Das allein greift aber zu kurz: Die Unzufriedenheit mit dem autoritären Stil des „Sultans“ ist schon länger erkennbar. Bereits beim Referendum 2017 zur Einführung des Präsidialsystems, das dem Staatsoberhaupt weitreichende Vollmachten einräumt, konnte Erdoğan in Ankara, Istanbul oder Izmir keine Mehrheit verbuchen.
Kommunalwahlen in der Türkei waren immer schon ein guter Gradmesser für künftige politische Entwicklungen. Insofern könnte der Urnengang vom Sonntag das Ende der AKP-Dominanz einläuten. Das wäre gut, denn Demokratie lebt auch vom Wechsel. In der Tat darf die Opposition Morgenluft schnuppern, sich aber auch nicht zu früh freuen. Denn der Kämpfer Erdoğan wird nie aufgeben. Und die Zeit spielt für ihn: In den kommenden vier Jahren stehen keine Wahlen an. Springt die Wirtschaft in der Zwischenzeit an, könnte er wieder obenauf sein.
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