Trumps Abbrucharbeiten in Nahost: Übereilt, aber richtig

Der US-Präsident vollzieht überfällige Entscheidungen. 18 Jahre nach der US-Militäraktion in Afghanistan fehlt den USA ohnehin jede Perspektive in der Region.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Mit Billionen zu jonglieren, ist immer eine nebulöse Angelegenheit. Schließlich kann sich niemand auch nur annähernd Geld in diesen Größenordnungen vorstellen. Trotzdem machen die jüngsten Kalkulationen von US-think tanks über die Gesamtkosten der US-Militäreinsätze in Afghanistan und Irak schwindlig. Insgesamt mehr als 2 Billionen Dollar haben sie an Kosten verursacht. Dem gegenüber steht eine mehr als magere militärstrategische Bilanz. In Afghanistan halten die inzwischen auf 14.000 Mann geschrumpften US-Truppen die Stellung - einst waren es mehr als 100.000 Soldaten -  ohne auch nur die geringste Aussicht, die Entwicklung des Landes auch nur irgendwie beeinflussen zu können. Der Weltpolizist USA, den Trump nicht mehr spielen will, hat in Afghanistan, wie auch im ganzen Nahen Osten derzeit nur noch eine Nebenrolle - und die strategische Regie scheint reichlich veraltet.

Wie einst die Russen

Eine Phantom-Regierung, deren Machtbereich sich weitgehend auf die Hauptstadt Kabul beschränkt, steht dem unaufhaltsamen Vormarsch der islamistischen Taliban gegenüber, also jener Miliz, die zu bekämpfen die USA einst nach Afghanistan gekommen waren. Konkurrenz machen ihnen lediglich lokale Ableger der Terrororganisation IS, oder örtliche Kriegsfürsten, die ja im gebirgigen Land am Hindukusch ohnehin traditionell über einzelne Regionen herrschen. Wie einst die der Briten oder der Russen wird auch die mlitärische US-Präsenz in Afghanistan erfolg- und weitgehend wirkungslos zu Ende gehen. Dass Trump jetzt die US-Präsenz in einem ersten Schritt reduzieren will, ändert militärisch langfristig rein gar nichts.

Irak: Kontrolle längst verloren

Auch im Irak, den George W. Bush auf der Grundlage einer längst entlarvten Lüge 2003 erobern ließ, ziehen längst andere Mächte politisch die Fäden, vor allem der Iran, der nicht nur wachsenden Einfluss auf die Regierung in Bagdad hat, sondern mit seinen religiösen Milizen auch den Kampf gegen den IS im Irak anführte. Dort kämpften übrigens US-Truppen Seite an Seite mit diesen Milizen gegen den IS.

Syrien: Kein Retter für die Kurden

 Die lauteste internationale Empörung aber rief Trumps Entscheidung hervor, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen. Man würde, so der Vorwurf, die Kurdenmiliz YPG, die doch die Speerspitze im Kampf gegen den IS gewesen sei, schutzlos der Übermacht der türkischen Streitkräfte ausliefern. Doch die 2000 Mann, die die USA in den vergangenen Monaten im Einsatz in Syrien hatten, hatten nie entscheidenden Einfluss auf den Verlauf des Krieges. Diese Rolle hat ohnehin längst Russland übernommen, das dem Assad-Regime den Weg zur Rückeroberung beinahe des ganzen Landes freibombte. Mit diesem Assad-Regime werden sich die Kurden langfristig arrangieren müssen, was sie im übrigen ohnehin tun. Dass sich der IS, der sich auf einige Wüstenregionen des Landes zurückgezogen hat, wieder ausbreiten könnte, ist eine reale Gefahr. 2000 US-Soldaten aber können diese Gefahr ohnehin nicht aus der Welt schaffen, auch das wird Aufgabe des Assad-Regimes sein, allein um sein politisches Überleben zu sichern. Den Einfluss des Iran in Syrien zurückzudrängen wird Aufgabe der Russen sein, die ohnehin die militärischen Aktivitäten des Mullah-Regimes mit zunehmender Skepsis betrachten. Moskau ist also in diesem Fall eher Partner als Gegner der USA.

Auch die vor allem von Trumps Vorgänger Obama forcierten Drohnenangriffe auf Islamisten in Pakistan und Afghanistan fügen sich lückenlos in dieses Bild eines militärischen Engagements, das das eigentliche strategische Ziel längst aus den Augen verloren hat. Die letzten Reste des einstigen Anti-Terror-Krieges in Afghanistan, das verspätete und obendrein halbherzige Engagement in Syrien, die Kontrolle über den Irak, die man einst mit einer Invasion sichern wollte und inzwischen aus der Hand gegeben hat: Fragmente unterschiedlicher oft sogar widersprüchlicher Strategien. Eine neue für den Nahen Osten zu schaffen dürfte den impulsiven und an Weltpolitik ohnehin kaum interessierten US-Präsidenten kaum gelingen, aber zumindest hat er mit den Abbrucharbeiten begonnen.

   

 

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