Transparenz – eine Frage der Reife
Der Inselstaat Palau liegt in Mikronesien im Pazifik – eine präsidentielle Republik mit rund 19.000 Einwohnern und einer großen Vielfalt an Korallen, Anemonen und Vogelarten.
Was Palau mit Österreich gemeinsam hat, ist der Zugang – oder besser: der Nicht-Zugang – zu staatlichen Informationen. In einer Studie im Jahr 2013 unter 95 Staaten landeten beide Länder auf dem letzten Platz.
Die damals rot-schwarze Regierung versprach angesichts dieser Peinlichkeit ein „Informationsfreiheitsgesetz“. Besonders für das Ende des Amtsgeheimnisses eingesetzt hat sich damals ein ÖVP-Staatssekretär namens Sebastian Kurz.
Acht Jahre sind vergangen, Kurz ist Kanzler – und gemeinsam mit den Grünen soll das mit der Informationsfreiheit nun endlich gelingen. Aber. Aber. Aber.
Aber das ist doch so viel Aufwand. Aber das geht doch viel zu weit. Aber das kommt doch zu schnell – so heißt es sinngemäß in einigen der 100 Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf.
Philosophiert wird hinter vorgehaltener Hand: Ist die Gesellschaft in einem kleinen Land wie Österreich reif für so viel Transparenz? Die Befürchtung, dass Querulanten die Auskunftspflicht ausnutzen, dass Fakten und Zahlen aus der Verwaltung für Eigeninteressen verzerrt werden, spricht nicht für unser Land.
Klar ist, die in Österreich gepflegte Praxis ist keine Alternative. Ein gutes Beispiel wären da Studien: Zwar werden sie mit Steuergeld bezahlt, ist das Ergebnis aber politisch nicht genehm, vergräbt man sie in einer Schublade – dem Amtsgeheimnis sei Dank. Wenn sie dann über Umwege an die Öffentlichkeit dringen, ist der Skandal erst recht perfekt.
Tatsächlich braucht die Politik die Reife, mit Transparenz umzugehen. Sie wird sich – wenn Studien künftig offengelegt werden – überlegen müssen, ob sie ihre Haltung an die Expertise anpasst, oder ob sie gute Argumente nennen kann, sie zu ignorieren.
Es wird ein Lernprozess – auch für die Grünen, die Verfechter absoluter Transparenz. Eine Episode: Kürzlich stellte das Justizministerium den Bericht einer Expertengruppe online, in dem es hieß, man solle Vergewaltiger milder bestrafen, um die Gefängnisse zu entlasten. Als das medial aufschlug, hechelte man hinterher: Das sei politisch ja gar nicht geplant, man wollte nur den Prozess transparent abbilden. Tja.
Das Gesetz lässt viel Spielraum bei der Frage, was öffentlich sein muss, und was geheim bleiben kann. Da dürfen wir auf die Verwaltungsgerichte vertrauen, die im Streitfall entscheiden und Judikatur schaffen werden. Dass der vielfach geforderte Informationsbeauftragte als Mediator im Gesetz nicht vorgesehen ist, ergibt eine Lücke, die wohl NGOs füllen werden.
Auf Platz 1 im eingangs erwähnten Ranking lag übrigens Afghanistan. Was zeigt, dass nicht jede Studie und nicht jede Info die absolute Wahrheit abbilden. Auch ein Lernprozess.
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