Streiks, Chaos, Wirrwarr: Deutschland hat mehr als Schnupfen

Deutsche Bauern protestieren und halten eine Mistgabel in die Höhe
Womit soll man anfangen, bei dieser Malaise unseres großen Nachbarn im Norden? Dass man besser nicht in einen Zug steigt, wo Deutsche Bahn drauf steht – weil man Gefahr läuft, wegen „technischer Defekte“ um Stunden verspätet oder zuweilen gar nicht an sein Ziel zu kommen? Von den Funklöchern dazwischen – im Hochindustrieland Deutschland – erst gar nicht erst zu reden.
Flüge mit deutschen Airlinern können angesichts der immer wieder drohenden Pilotenstreiks ebenfalls zum Risikofall werden. Und wer sich dieser Tage auf deutsche Straßen wagt, dem stellen sich erboste Bauern auf ihren Traktoren in den Weg.
Chaos, Streik, Wirrwarr – und das ausgerechnet in einem Land, wo Ordnung, Systematik und strenge Regeln gleichsam die zweiten Vornamen sind?
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Deutschland, der „kranke Mann Europas“ krakeelte der britische Economist schon im vergangenen Sommer. Diese Untergangsgesänge auf die größte Wirtschaftsmacht Europas muten schwer übertrieben an – aber unübersehbar ist doch:
Deutschlands Wirtschaft ist 2023 nicht gewachsen (minus 0,2 Prozent prognostiziert), während alle anderen größeren Volkswirtschaften von den USA über China und Japan, von Frankreich und Spanien – sogar bis zu dem post-Brexit-geschüttelten Großbritannien – ein Plus erzielten. Die Produktivität sinkt, die Energie ist teuer – und das ist die kumulierte Folge der Ampel sowie der vorangegangenen Regierungen der Ära Angela Merkel.
Unser großer Nachbar im Norden ist nicht krank, aber er laboriert eindeutig an mehr als an einem Schnupfen – und braucht die entsprechende Medizin. So da wären: mehr erneuerbare Energieträger, Investitionen in seine marode Infrastruktur, einen Digitalisierungsschub, den Sprung von der hochgeachteten deutschen Ingenieurskunst zur neuesten Technologie. Und jetzt kommt das große, in Deutschland so gefürchtete Aber:
Für all das wird sich das sparsame Deutschland wohl auch von seiner selbstbehindernden Schuldenbremse verabschieden müssen. Ob Bahn oder Bundeswehr, der Zwang zum Sparen sei in Deutschland zu einem regelrechten Fetisch geraten, kritisiert selbst der auch nicht gerade fürs Geldverschwenden bekannte Economist.
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In einer sich wandelnden, grüneren und diverseren Welt muss auch Deutschland sich verändern. Doch von der fragilen SPD-Grün-FDP-Regierung sind nötige, radikale Kursänderungen nicht zu erwarten.
Zu groß ist ihre Angst, als Koalition zu zerschellen, ihre Wähler zu verprellen und der rechtspopulistischen AfD in die Hände zu spielen.
Und so wächst sie unaufhaltsam, die Zahl der Unzufriedenen, der Wütenden, der Streikenden. Österreich kann das nicht egal sein. Denn wenn Deutschlands Wirtschaft hustet, schmerzt auch hierzulande die Lunge.

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