Das im Prinzip vernünftige Minderheitenrecht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, das Aufklärung politischer Verantwortung und eine Art Selbstreinigungsprozess auslösen sollte, verkommt zum Scherbengericht. Es entstand ein Misstrauensvorschuss für Parteien, und zwar für alle. Außerdem werden die (meist inquisitorisch befragten) „Auskunftspersonen“ hinkünftig eben schweigen, um nachher nicht eine Verurteilung vor einem „echten“ Gericht zu riskieren.
Nun nimmt man die im Umfragehoch befindliche FPÖ ins Visier. Deren Chats werfen ein weiteres Schlaglicht auf die Geschäftspraktiken eines dafür sattsam bekannten Boulevardverlegers. Und sie zeigen, dass Heinz-Christian Strache als Vizekanzler ein österreichisch-russisches Beamtentreffen plante. Der „rauchende Colt“, also die vermutete Finanzierung rechter Parteien durch Russland (was vielleicht auch die Drahtzieher des Ibiza-Videos aufzudecken hofften), ist das jedoch nicht. Abgesehen davon ist keineswegs garantiert, dass die Beschädigten die nächste Wahl verlieren. Die SPÖ etwa gewann 2006 nach Auffliegen der Bawag-Affäre die Nationalratswahl.
Es ist weitgehend unrealistisch, wäre aber dennoch ziemlich vernünftig, würden alle Parteien in diesem Wahljahr einen Neustart für ein konstruktiveres Miteinander versuchen. Natürlich darf dann auch die FPÖ nicht mehr mit „Fahndungslisten“ für amtierende Minister drohen und könnte endlich aufhören, den dumpfen Groll der Impfgegner immer weiter zu instrumentalisieren. Welch ansteckende Wirkung das hat, belegen die zunehmenden Masern-Erkrankungen aufgrund sinkender Impfbereitschaft.
Es gäbe so viele ernsthafte Themen anzugehen: Regulierungswut, hohe Steuerlast, Fachkräftemangel, Integrationsprobleme, Bildungsverlust, Flächenverbrauch, Teuerung und steigende Pensionskosten. Aber im Jammertal müssen wir auch nicht versinken. Die „good news“ gehen nur leider oft unter. So zeigt eine neue Studie, dass Österreich eine besonders niedrige Jugendarmut hat. Bei allem Wehgeschrei über steigende Wohnkosten wird übersehen, dass Wien im Vergleich zu anderen Weltstädten günstig ist. 60 Prozent wohnen im sozialen Wohnbau, ein großer Teil der Mieten ist reguliert. Wir sind in der ökologischen Landwirtschaft und bei den gefahrenen Bahnkilometern pro Kopf in der EU-Spitze. 87 Prozent des in Österreich produzierten Stroms ist grün. Dennoch picken sich die Klimakleber sogar vors Parlament. Wem das nutzt? Womöglich ausgerechnet der FPÖ, die als Ventil für allen Ärger benutzt wird. Blaue Skandale hin oder her.
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