Im Windschatten der „großen“ Politik schießt auch der Populismus der Landeshauptleute ins Kraut. „Daheim“ kam es immer schon gut an, der Bundespolitik oder der EU die Schuld an Problemen aller Art umzuhängen. Und man kann Finger in Wunden legen, die man selbst nicht versorgen muss. Sprich: Über die Teuerung schimpfen, selbst aber keinen Genierer haben, die Gebühren zu erhöhen, wie in Wien. Sich als moralischer als die Bundespartei darstellen und eigene Skandale übersehen, wie in Vorarlberg. Oder Russland-Sanktionen durch Andeutungen in Zweifel ziehen und damit die Regierungshaltung unterlaufen, wie es Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer kürzlich getan hat.
Natürlich ist diese Diskussion zu führen, aber sicher nicht so. Schließlich hat sich Österreich den EU-Beschlüssen angeschlossen. "Wir haben das zu tun", stellte Bundeskanzler Nehammer am Montag beim Forum Alpbach immerhin klar. Einiges spricht für Sanktionen: Man kann den russischen Aggressor nicht tatenlos gewähren lassen und damit weitere Überfälle legitimieren. Tatsächlich spricht auch einiges dagegen: Die Wirtschaftssanktionen im Energiebereich schaden EU-Ländern mehr als Russland, das seine fossilen Brennstoffe andernorts verkaufen kann. Für eine Neubewertung müssen diskrete Gespräche in Brüssel geführt werden. Die Landeshauptleute mögen dieses Thema bitte Kanzler und Außenminister überlassen und sich lieber ureigensten Aufgaben widmen: zum Beispiel endlich die Zerstörung ganzer Regionen durch katastrophale und nie wieder gutzumachende Sünden der Raumplanung stoppen.
Auch vor der eigenen Tür zu kehren, schadet nicht. Oberösterreich hat aus Angst vor Impfgegnern bei der Landtagswahl die Zügel schleifen lassen und eine massive Corona-Infektionswelle erzeugt. In Wien wiederum wird jedes Problem mit dem Argument „Großstadtfaktor“ weggewischt – etwa die mit Abstand höchste Zahl an Sozialhilfeempfängern: Mehr als die Hälfte aller Mindestsicherungsbezieher lebt hier. Wäre es nicht gut, die Ursachen zu ergründen (und zu bekämpfen), statt jede kritische Frage als „Wien-Bashing“ abzutun?
Eine starke Bundesregierung stünde unerschütterlich zu ihrem Weg und würde, wenn nötig, den Konflikt mit Opposition, Ländern und Boulevard nicht scheuen. Zum Beispiel, wenn dieser marktschreierisch vorrechnet, dass 13 Pensionisten so viel bekommen, wie der Kanzler verdient. Jo eh. Karl Nehammer hat aus Angst vor den Stammtischen sogar seinen Urlaub storniert und Festspiele gemieden. Wären diese Senioren auch einem Landeshauptmann Urlaub, Gehalt und Dienstwagen neidig? Und wie tief kann die öffentliche Debatte eigentlich noch sinken?
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