Sommersaison: Eine Reise in die 1970er-Jahre

Die Deutschen reisen gerne ins Ausland. Dass das in der Corona-Krise ihre Politiker besonders freut, darf bezweifelt werden.
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Der Sprung in die Sommersaison – sie startet traditionell mit 1. Mai – wird heuer aus Sicht der Tourismusbranche ein Bauchfleck. Das kommende verlängerte Wochenende im Thermenhotel kann man sich abschminken. Beherbergungsbetriebe dürfen erst Ende des Monats wieder aufsperren. Positiv formuliert haben sie noch einen Monat Zeit, um sich auf den Ansturm vorzubereiten.

Doch Hoteliers wissen noch gar nicht, worauf sie sich einstellen sollen. Anzunehmen ist, dass Rezeptionisten künftig hinter einer Plexiglasscheibe stehen werden, so wie es Kanzler Kurz bei seinen Pressekonferenzen tut. Vermutlich werden Dampfbäder wegen der Infektionsgefahr nicht aufsperren dürfen und Aufgüsse in der Sauna verboten werden. Klarheit herrscht diesbezüglich aber noch immer nicht. Die Politik ist Antworten bisher schuldig geblieben. Zum Ärger der Vermieter, die Planungssicherheit für ihre Wellness-Oasen und Bettenburgen brauchen. Manche kalkulieren bereits, ob es nicht die wirtschaftlichste Lösung wäre, das Haus erst gar nicht aufzusperren. Schließlich steht auch noch in den Sternen, wann die Gäste aus dem Ausland wieder einreisen dürfen.

40 Prozent fallen weg

Bleiben die Deutschen aus, fallen knapp 40 Prozent der Nächtigungen weg. Das wäre für die Branche fatal. Das hat sich auch in der Politik herumgesprochen. Um die Saison zu retten, sollen die Österreicher in Österreich Urlaub machen – macht der Kanzler schließlich (angeblich) auch so. Zudem sollen die Grenzen nach Deutschland schnell aufgehen, so der fromme Wunsch von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger. In Deutschland wird er leider nicht erhört. Dort ist die Politik offenbar weniger an der Rettung der österreichischen Betriebe interessiert als an ihren eigenen. Bleiben die Grenzen zu, geben die Deutschen das Urlaubsgeld im eigenen Land aus, so die einfache Rechnung. Das Potenzial ist jedenfalls groß, gingen doch stets drei von vier deutschen Urlaubsreisen ins Ausland.

Deutschland hat zwischen Schloss Neuschwanstein und Sylt mehr zu bieten, als viele Österreicher wahrhaben wollen. Gemessen an den Gästenächtigungen (430 Millionen) ist Deutschland sogar die Nummer drei im EU-Ranking – gleich nach Spanien und Frankreich. Zum Vergleich: Österreich erreichte 2019 den Rekordwert von 150 Millionen Gästenächtigungen. Dass das heuer zu halten sein wird, glaubt niemand mehr.

Der Tiroler Tourismusberater Klaus Ennemoser hat mit der Ansage, dass dieser Sommer "eine Reise zurück in die 1970er-Jahre" wird, aufhorchen lassen. Romantiker denken da an einen vollbepackten VW-Käfer, mit drei Sommerfrischlern auf der Rückbank und einem auf dem Autodach festgezurrten Lederkoffer. Ennemoser denkt an die damaligen Nächtigungszahlen: 86 Millionen.

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