So französisch ist Österreich

Salomonisch: Grüne Achterbahn
Hohe Lohnnebenkosten, geschützte Bereiche, früher Pensionsantritt: Kommt Ihnen das bekannt vor?
Martina Salomon

Martina Salomon

Der Blick auf französische Arbeitnehmerprivilegien verleitet dazu, Österreich ganz anders zu finden. Aber, oui, auch der heimische Arbeitsmarkt hat Reformbedarf. Noch haben wir zwar Gott sei Dank nicht die Probleme deklassierter Ausländergettos, in denen sich Arbeitslosigkeit und Kriminalität ausbreiten. Aber in Ansätzen wächst das auch hierzulande. Wie entschärfen wir diesen sozialen Sprengstoff? Eine Vereinheitlichung der Mindestsicherung ist u. a. auch deshalb nötig, damit Wien nicht zum größten Anziehungspunkt armer Zuwanderer wird.

Und – oh là là – wie in Frankreich ist auch in Österreich die Lohn-Differenz zwischen Jung und Alt zu hoch. Das so genannte „Senioritätsprinzip“ verhindert, dass Ältere wieder einen Job finden, weil sie als zu teuer gelten und es sind. Daher bleiben sie trotz Hochkonjunktur schwer vermittelbar. Wobei dennoch bei den Arbeitsanreizen etwas getan werden muss. Der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria hat wiederholt vorgeschlagen, ein höheres Arbeitslosengeld zu zahlen, dafür aber kürzer. Österreich hat zwar nicht ganz so aberwitzig geschützte Bereiche wie Frankreich, aber dennoch etliche gut gepolsterte im staatlichen und halbstaatlichen Bereich. Hier wie dort ist man häufiger krank als in der Privatwirtschaft und verabschiedet sich gerne mit Mitte 50 in eine mehr als an gemessene Pension. Erinnern Sie sich an den Rechnungshofbericht, wonach nur fünf Prozent der Landeslehrer regulär in Pension gehen? Und weil Frauen im ASVG-Recht noch immer ein früheres gesetzliches Pensionsantrittsalter haben, können wir uns hier durchaus mit dem (reformbedürftigen) Frankreich messen.

Damoklesschwert für Kleinunternehmen

Ansonsten aber ist alles anders? Non! Die Franzosen haben einen hohen gesetzlichen Mindestlohn. Wir demnächst auch – die Bruttolöhne werden bis 2020 auf mindestens 1500 Euro steigen. Österreich hat zwar eine längere Arbeitswoche, dafür aber höhere Überstundenzuschläge. Und der heimische Arbeitnehmerschutz ist hinsichtlich Fortzahlungen bei Kündigungen, Karenz oder Krankheit auch nicht gerade schlecht ausgestattet – für kleinere Firmen ein Damoklesschwert, das sich mit der jüngsten Vereinheitlichung von Arbeitern und Angestellten noch verschärft hat. Nicht zuletzt bei den Lohnnebenkosten können wir uns auf eine unrühmliche Stufe mit den Franzosen stellen. Sie sind viel zu hoch! Aber es gibt einen Riesenunterschied: Wir sind – merci, Sozialpartnerschaft! – am Ende, die Franzosen hingegen an der Spitze der Streik-Statistik. Très bien!

Kanzler Sebastian Kurz wird genau schauen, wie es seinem Amtskollegen Macron mit dessen Reformen er geht und wohl seine Schlüsse ziehen – hoffentlich nicht, indem er seine eigenen Ziele noch weiter verwässert. Chapeau, wenn sie beide etwas weiterbringen. Darauf sollte man aber lieber noch nicht mit Champagner (oder besser: österreichischem Winzersekt) anstoßen.

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