Sehnsucht nach Vollversorgungsstaat

Die Krise hat Unternehmertum und Risikofreude in Misskredit gebracht. Gewinner ist der große geschützte Bereich.
Martina Salomon

Martina Salomon

Auch wenn am Freitag weitere Lockerungsschritte bekannt gegeben wurden: Die dramatische Wirtschaftskrise wird uns leider noch lange begleiten – in Form von Pleiten, erhöhter Arbeitslosigkeit und eines problematischen Stimmungswandels. Unternehmertum, Risikofreude, Eigenverantwortung, außerordentliche Leistung? Das alles hat gerade fürchterlich an Wert eingebüßt.

Zwar hat Österreich (noch) eine im internationalen Vergleich hohe Produktivität, doch der mühsam zurückgedrängte Beamten- und Vollversorgungsstaat blieb immer ein wenig in den Köpfen haften. Und nun steht ausgerechnet dieser Bereich auf der Gewinnerseite, während viele Selbstständige zu den Verlierern zählen, auch wenn die Regierung gewaltige Summen zur Abfederung der Krise bereitstellt.

Eine Wirtin etwa, die in den vergangenen Jahren allwöchentlich 70 Stunden geschuftet hat, um einen kleinen, feinen Restaurantbetrieb aufzubauen, verliert nun ihre Ersparnisse und muss sich von wohlbestallten Kündigungsgeschützten auch noch anhören, dass sie halt mehr Vorsorge hätte treffen müssen und man in der Gastronomie sowieso gefälligst bessere Löhne zahlen sollte. Ja, natürlich hat sie Anspruch auf den Fixkostenzuschuss und konnte ihre Mitarbeiter dank Kurzarbeit (und viel Bürokratie) noch halten. Aber ihre Zukunft ist ungewiss: Geschäftsessen sind reduziert, Touristen werden noch länger ausbleiben. Es bleibt außerdem das Bewusstsein, wie schnell alles zunichte sein kann, was man sich mühsam erarbeitet hat. Daher könnten ihr – und auch dem Maturanten, der gerade ein Start-up gründen wollte – massive Zweifel kommen, ob sich dieser ganze Aufwand lohnt, während man in den vielen quasipragmatisierten Bereichen des Landes lediglich darüber grübelt, ob man nicht lieber weiterhin in Teilzeit und im Homeoffice bleiben will.

Gleichzeitig werden Wien-wahlbedingte Luxusdiskussionen geführt, als hätte es nie eine Krise gegeben: zum Beispiel, ob die Straßen nicht wenigstens am Wochenende der Gastronomie überlassen werden könnten. (Ganz Wien, ein einziger Schanigarten? Gerade jetzt, wo der Individualverkehr ein geringeres Ansteckungsrisiko hat!) Aber auch in einer Freizeitgesellschaft muss irgendwer das Geld verdienen, damit dann so viele reduziert arbeiten und früh in Pension gehen können. Bisher konnten wir uns das dank exorbitant hohen Steuern auf Arbeitseinkommen und einer brummenden Konjunktur leisten.

Eh wurscht, Geld ist scheinbar abgeschafft, und zwar in ganz Europa. Der Staat (aber wer ist das, wenn nicht die Steuerzahler?) kümmert sich um alles. Es gab einmal zweifelhafte politische Werbesprüche: „Hol dir, was dir zusteht“ bzw. „Her mit dem Zaster, her mit der Marie“. Wer hätte gedacht, dass diese Haltung so schnell Wirklichkeit wird?

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