Sehnsucht nach Nicht-Politik

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Der Expertenregierung fliegen die Herzen zu. Dauerzustand kann das dennoch nicht sein.
Martina Salomon

Martina Salomon

Theresa May nimmt den Hut. Weil die Nachfolge noch nicht geregelt ist, gibt es – nein, kein Expertenkabinett, aber eine Übergangspremierministerin May bis Ende Juli, die sich nicht mehr um den Brexit kümmern wird. Im Industrieland Deutschland liegen die Grünen laut Umfragen auf Platz eins oder knapp dahinter, während die Kanzlerpartei CDU vom millionenfach geklickten Video eines bis dato unbekannten Bloggers vorgeführt wird.

In Österreich befinden wir uns knapp vor der Heiligsprechung der neuen Proporz-Beamtenregierung. Haben wir uns noch vor Kurzem aufgeregt, dass es Kanzler-Pressekonferenzen mit Ansagen, aber ohne Nachfragemöglichkeit gab, findet man eine Regierung, bei der die Minister auf Anweisung von oben tunlichst schweigen sollen, plötzlich ursuper. Die Übergangskanzlerin hätte bei einer Wahl Chancen auf eine absolute Mehrheit. Und würde der Dalai Lama kandidieren, würde er wohl 90 Prozent kriegen.

Amüsieren wir uns zu Tode, fragte Neil Postman schon vor Jahrzehnten. Möglich. Wobei die Sehnsucht nach Abwechslung und Entertainment in der Politik nicht neu ist. Sie wurde auch früher gestillt, etwa durch „Sonnenkönig“ Kreisky, dem es gelegentlich gefiel, Journalisten nach dem Ministerrat abzukanzeln und dem TV-Publikum zum Fraß vorzuwerfen.

Der große Frust mit etablierter Politik liegt vielleicht daran, dass wir eine saturierte und sensationslüsterne Gesellschaft sind. Dass sich auf diesem Boden die Jugend neu politisiert, ist gut und wichtig – auch wenn man sich angesichts der Greta Thunberg-Anbetung manchmal besorgt fragt: Ist sie eh echt oder womöglich ein PR-Produkt? Und wie groß ist die Kluft zwischen grüner Theorie und grauer Praxis? Freitagabend war das gut sichtbar. Da stauten sich auf den Ausfallstraßen Wiens sicherlich auch viele Umweltbewegte fröhlich in Richtung Pfingsturlaub. Österreicher sind Urlaubskaiser, das hat das internationale „Urlaubsbarometer“ gerade ergeben.

Populistischer Unsinn

Unsexy, aber wahr: Politik ist ein Job, das sind Experten für Politik. Sie müssen sich durch eine Wahl legitimieren, das Ohr am Volk haben, manchmal dennoch Unpopuläres entscheiden, und, ja, auch Ecken und Kanten haben (was schwer ist, weil sie dafür dann auch kritisiert werden). Der Wunsch nach Experten statt Minister ist populistischer Unsinn. Die Demokratie und auch der Industriestandort halten viel aus. Ein Idealzustand ist so eine Stillschweigeregierung, die auftragsgemäß verwaltet und nicht gestaltet und die wir voraussichtlich bis Jahresende haben, dennoch nicht. Auch wenn die Bürger vorerst damit zufrieden sind. Und auch wenn sie begleitet ist von beschwichtigenden Ansagen des Bundespräsidenten, der zwar eine exzellente Presse hat, aber eigentlich mehrfach von einer SPÖ-FPÖ-(Pilz-)Koalition desavouiert wurde. Wir haben gerade einen Ausnahmezustand, der keine Alternative zu echter Politik ist.

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