Schlumpfhausen ist überall
Die "blaue Lagune" ist auf jedem Acker zu finden, und der Stilmix kann durchaus ins Auge gehen.
Sommerfrische in Österreich: Man fährt mit offenen Augen übers Land und fragt sich unwillkürlich: Wer wird eigentlich irgendwann all die unbenützten Riesen-Trampoline entsorgen, die sich in den Vorgärten angesammelt haben? Oder die blauen Plastik-Pools, selbst in Gegenden, wo man elf Monate im Jahr heizen muss? Früher waren sie rund, neuerdings wachsen sie auch eckig aus dem Boden.
Vermutlich gibt es eine geheime Hausbesitzer-Absprache, die da lautet: Mut zur Farbe. Wie sonst ist erklärlich, dass es vor krachbunt angefärbelten Eigenheimen in Österreich nur so wimmelt? Grellorange ist Trend, aber auch mit Gagerlgelb, Schocklila und Blitzblau hebt man sich von der Umgebung nicht sonderlich ab. Oft inklusive "origineller" Bemalung: Ein doppeltes Fadenkreuz steht hoch im Kurs, damit lassen sich auch alte Eternitplatten behübschen.
Carports und Gabionen
Kaum geschmackvoller ist die Zaungestaltung: Kennen Sie "Gabionen"? Steine, in Gitter gefangen, sind gerade groß in (Eigenheim-)Mode. Abgesehen von der zweifelhaften äußeren Erscheinung will man sich lieber nicht vorstellen, welches Getier da in den Hohlräumen kreucht und fleucht. Das Steingitter verdrängt die beliebte Thujenhecke, aber man bleibt unschlüssig, was schrecklicher ist.
Wer auf sich hält, hat außerdem einen "Carport", der das traute Heim buchstäblich in den Schatten stellt. Gerne ganzjährig mit Weihnachtslichterlkette, die ab Dezember illuminiert wird.
Und haben Sie schon die epidemische Ausbreitung der kleinen Solarleuchten in den Wiesen bemerkt? Das erzeugt in der Nacht Geisterbahn-Feeling und ersetzt die selten gewordenen Glühwürmchen in den unkrautfreien Gartenanlagen.
Die "blaue Lagune" (Fertigteil-Ausstellung in der Wiener SCS) ist quasi auf jedem Acker zu finden. Der Stilmix kann durchaus ins Auge gehen: französischer Landhausstil neben Tiroler Bauernhaus neben ambitionierter, moderner Architektur. Je flacher das Land, desto pittoresker die Türmchen und Säulchen: Da verwirklicht sich so mancher seinen Schlossherrentraum im rosaroten Barbiepuppenstil.
Sehnsucht nach Qualität
Jetzt soll man natürlich nicht herablassend mit den Wohnträumen der großen und kleinen Leute umgehen, die sich ihr Glück hart erarbeitet haben – und natürlich sind das alles "First world problems". Doch ein bisserl Sehnsucht, zum Beispiel nach einem einheitlichen Ortsbild (gab es früher wirklich!) mit stimmigen Farben, Formen und Proportionen darf sein. Oder der Hinweis auf die skandinavische Architektur, die viel über das Lebensgefühl aussagt: Bauten, die Qualität vor Zierrat stellen, vieles besser aufeinander abgestimmt, in harmonischeren Farben und mit insgesamt deutlich weniger Flächenverbrauch. Es reicht schon ein Blick nach Bayern: Hier wird einigermaßen geordnete Flächenentwicklung betrieben im Gegensatz zum planlosen Wuchern der Siedlungsformen in Österreich.
Nein, eine Geschmackspolizei kann man sich nicht wünschen. Aber etwas mehr ästhetische Auflagen für Stadt und Land. Oder werden die von genau jenen verfasst, die ihre Gartenzwerge vor dem gelb-orange karierten Haus stehen haben?
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