Schicksalsjahr für den ORF

Schicksalsjahr für den ORF
Die nervösen Reformsignale und vielen Programmvorhaben des ORF muten defensiv an. Zu Recht: 2024 wird hart.
Georg Leyrer

Georg Leyrer

Im Berufsleben gilt: Je lauter einer schreien muss (insbesondere, wenn es der Chef ist), desto mehr signalisiert er Unsicherheit und Schwäche. Wer leise spricht, dem sollte man zuhören.

Der ORF hat zuletzt die Lautstärke bis ganz nach oben gefahren.

Man präsentierte in kurzer Abfolge die Radioflottenstrategie, die Kinderkanalpläne, neue Chefs und nun die Sachen, von denen man gern hätte, dass die Menschen sie 2024 anschauen. 

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Dazu noch eine Werbelinie, die man versucht ist, als perfekte Verbalisierung einer Defensivhaltung zu lesen. „ORF – für dich und mich und alle“ – ja, was denn sonst?

Die jüngsten Kommunikationssalven sind Vorgeplänkel zu einem schwierigen Jahr für den Öffentlich-Rechtlichen. Dass die Haushaltsabgabe – alle zahlen nun für den ORF – ausgerechnet in einem Wahljahr an den Start geht, ist natürlich der realpolitische Worst Case: Derart billige Punkte bei den Wählern wird kaum eine Partei liegen lassen, vor allem nicht jene, die in den Umfragen führt.

Damit einhergeht auch eine – derzeit noch rechtlich angefochtene – Transparenzverpflichtung für hohe Gehälter. Schon geistern gewaltige Bezüge der hohen ORF-Tiere durch den Boulevard, der ORF weist diese als falsch zurück. Relativ ähnliche Zahlen werden aber wohl demnächst offiziell an die Öffentlichkeit gehen. Auch diese Einladung für die Privilegien- und Neiddebatte wird freudig angenommen werden – und auf viel Resonanz bei den Wählern stoßen. 

Denn das Verhältnis zwischen dem ORF und einem guten, jedenfalls sehr lauten Teil der Bevölkerung ist zerrüttet – und nicht wieder flott zu machen. In einer durchpolarisierten Nachrichtenwelt wird mit allerhöchster Empfindlichkeit jede Regung der ORF-Nachrichtenredaktionen mit dem eigenen Weltbild abgeglichen – passt das nicht zusammen, wird (übrigens links wie rechts) Skandal gerufen.

Auch von den Parteien. Dass die ÖVP nach allerlei medialen Demütigungsempfindungen Ambitionen hegt, das ORF-Gesetz ausgerechnet im Wahljahr neu zu formulieren, erinnert an Wolfgang Schüssel: Auch er hämmerte als Regierungschef ein Gesetz zusammen, das den damals Schwarzen große Mehrheiten sichern sollte. Ausgenützt haben das die Roten mit Alexander Wrabetz.

Alles andere als eine von den Parteien abseits der FPÖ gemeinsam beschlossene völlige Entpolitisierung des ORF serviert diesen mit guter Wahrscheinlichkeit nur der FPÖ auf dem Macht-Tablett. Was diese mit dem Sender plant, ist bekannt.

Dass der ORF im Gegensatz zu den existenzgefährdeten privaten Medien durch die Haushaltsabgabe mit viel Geld ausgestattet wurde, ist ein weiterer Stein eines Mosaiks, das sich zu einem großen Problemgemälde für den ORF zusammensetzt. Der ORF polarisiert dich und mich und alle.

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