Renaturiert die Verantwortung!

Renaturiert die Verantwortung!
Bevor „renaturiert“ wird, müsste einmal die Denaturierung gestoppt werden. Aber auch das sollte nationale und nicht EU-Aufgabe sein.
Martina Salomon

Martina Salomon

Wären bei einer Straßenbefragung nicht alle für „Renaturierung“ – ohne genau zu wissen, worum es bei diesem EU-Anliegen eigentlich geht? Klingt so schön nach „Zurück zur Natur“. Das Gesetz sieht vor, dass Wälder aufgeforstet, Moore „wiedervernässt“ und Flüsse in ihren Urzustand versetzt werden. Natürlich geht das nicht ohne Rückbau genutzter Flächen. Vor allem ÖVP und Landwirte fürchten daher neue Bürokratie und im letzten Schritt Enteignung. NGOs und Grüne halten es hingegen für „das wichtigste Naturschutzgesetz seit Jahrzehnten und ein Herzstück des Green Deals“. Dazwischen stehen die SPÖ-Landeshauptleute von Wien und Kärnten, die bereit gewesen wären, den gemeinsam gefassten, ablehnenden Länderbeschluss wieder zu verlassen. Doch das Veto ist bestehen geblieben.

Umweltministerin Gewessler kann in Brüssel also nicht zustimmen. Dass die Lebensmittel-Versorgungssicherheit durch die Reform gefährdet wäre, wie Landwirtschaftsminister Totschnig argumentiert, ist eher nicht zu erwarten. Schwerer wiegen andere „unerwünschte Nebenwirkungen“ des an sich vernünftigen Ziels. Zum Beispiel, dass damit wieder eine Flut neuer Vorschriften hereinbrechen könnte. Schon jetzt kann jeder Ziesel ein Bauprojekt – selbst den zur Ökowende dringend nötigen Ausbau der Stromnetze – verhindern. Österreich und die diversen Gerichte neigen außerdem zur Überauslegung von scheinbar unverbindlichen Zielvorstellungen, die dadurch zur (nicht erfüllten) Norm werden. Das Land steht dann wieder als „Umweltsünder“ da, obwohl es reich an (auch biologischer) Land(wirt)schaft ist und außerdem genug Wald hat, dessen Fläche hierzulande gar nicht schrumpft, sondern seit Jahrzehnten stets zunimmt. Auch den Badegewässern wurde soeben das EU-Siegel „ausgezeichnet“ ausgestellt. Alle Firmen haben mittlerweile eine Nachhaltigkeitsmission – was aufwendigst dokumentiert werden muss. Die Sorge ist berechtigt, dass auch die „Renaturierung“ zum Bürokratiemonster samt Strafzahlungen wird.

Wer für die Wiederherstellung ursprünglicher Natur ist, sollte erst einmal die Denaturierung stoppen. Da gibt es so viele Beispiele: die Zubetonierung des Wiener Donaufelds, in dem bisher Gemüse angebaut wurde; die Umwidmung historischer Grün-Oasen – vom Semmering bis Steinhof; die Umwandlung eines idyllischen Familienbads am Stadtrand von Wien in eine gigantische „Topgolf“-Hochhaus-Anlage mit 102 Abschlagplätzen, für die alle Bäume trotz Grünlandwidmung geopfert wurden usw. Es wäre schön, Land und Gemeinden würden sich wenigstens an bestehende Gesetze halten. Dann kann man sich ruhig um eine Renaturierung kümmern. Richtlinien aus Brüssel muss es dafür nicht unbedingt geben. Renaturieren wir lieber unsere eigene Verantwortung!

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