Reden mit Putin, aber nur als geeinte EU

Russland hat als Großmacht andere Interessen als die EU. Die EU tut sich schon schwer, diese zu formulieren.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Es ist nur ein kleines Symbol, aber immerhin. Die erste Auslandsreise nach seiner Wiederwahl führt Wladimir Putin nach Wien. 50 Jahre Gaslieferung nach Österreich, das ist ein guter Anlass – und dass sich die Regierung bei Kritik am russischen Präsidenten zurückhält, kommt in Moskau auch gut an. Weltpolitik wird aber woanders gemacht. Wie sehen die politischen Interessen der großen Mächte aus?

Am einfachsten ist diese Frage bei China zu beantworten. Die Führung unter Xi Jinping hat eine klare Strategie: Sie will über Rohstoffe in Afrika, die Beteiligung an Technologiefirmen in den USA und Europa sowie globale Logistikketten die Weltwirtschaft dominieren. Investitionen in die Forschung, vor allem in die künstliche Intelligenz sollen zu noch mehr Unabhängigkeit führen.

Russland lebt zu 60 Prozent von Öl, Gas und Kohle, die Innovationsfähigkeit ist gering, die politische Macht Putins aber ungebrochen. Er baut diese auf die Größe, den weltweiten Einfluss und eine nationalistische Erzählung. Diese Mischung füllt keine Bäuche, streichelt aber die Herzen. Wirtschaftlich wird Russland Europa nie dominieren können, militärisch nur mit Schwierigkeiten, also baut er seinen politischen Einfluss aus. Die Erklärung im ORF-Interview, er habe kein Interesse, Europa zu spalten, ist so glaubwürdig wie seine Beteuerungen zu Beginn des Ukraine-Konflikts, die russischen Soldaten seien dort vielleicht auf Urlaub.

Die USA sind so unberechenbar wie ihr Präsident. Eine langfristige Strategie ist nicht erkennbar, außer, dass der Atlantik politisch um vieles größer wird.

Die EU wird stark – oder Putin verachtet sie

Die logische Reaktion der Europäer wäre relativ einfach, würden wir Wirtschaftskraft und Innovationsfähigkeit mit dem Machtwillen verbinden, den wir in Peking und Moskau beobachten. Natürlich muss die EU mit Russland im Gespräch sein, aber gerade die Geschichte des Kalten Kriegs zeigt doch, dass eine Führung in Moskau nur Politiker ernst nimmt, die eine Strategie haben und stark auftreten. Das gilt für den KSZE-Prozess, für Willy Brandts Ostpolitik ebenso wie für Ronald Reagans Aufrüstung. Nichts verachten autoritäre Führer mehr als Zögerlinge ohne Plan. Und Putin verachtet natürlich auch die europäischen Rechten, die ihn ob seiner Skrupellosigkeit bewundern. Er spielt mit Strache, le Pen, Salvini und Co, dass es nur so eine Freude ist – für Putin.

Das Versagen der Politiker in Europa besteht darin, dass sie den Menschen nicht mehr die Gemeinsamkeiten und Werte wie Demokratie und Menschenrechte erklären konnten. Die EU muss sich neu aufstellen, will sie ernst genommen werden. Angela Merkel hat nach vielen Monaten auf die Pläne von Emmanuel Macron geantwortet. Da sind Kompromisse möglich, in der Finanzpolitik, der Finanzierung von neuen Investitionen, der Asylpolitik. Oder die EU zerbröselt. Auch wirtschaftlich erfolgreiche Länder werden dann tun müssen, was sich das politisch mächtige, ökonomisch schwache Russland wünscht.

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